Behandlungsmethoden bei Misophonie

Der Einsatz von guten Bewältigungsstrategien ist an sich schon eine Behandlungsmethode. Viele Patienten konnten mit Hintergrundrauschen ihre schmerzhafte Misophonie lindern. Auch das „Misophonie-Management-Programm“ hätte von daher hier als Behandlungsmethode aufgeführt werden können. Ich möchte hinzufügen, dass die hier aufgeführten Behandlungsmethoden auf meine persönlichen Erfahrungen sowie frei erhältlichen, bereits veröffentlichten Informationen basieren.

Entspannung des Reflexmuskels

Bild eines meditierenden Mädchens
Bild: Shutterstock

Sie können die Reaktion auf einen Trigger vermindern, indem Sie Ihre Muskeln entspannen. Bewusste Entspannung vor einem Trigger veranlasst Ihr Reptiliengehirn dazu, langsam die Reflexintensität zu senken. Muskelentspannung ist also sowohl Bewältigungsstrategie als auch Behandlungsmethode.
Der Beitrag unter Bewältigungsstrategien erklärte PME (Progressive Muskelentspannung nach Jakobson) detailliert. Um sie als Behandlungsmethode zu verwenden, müssen Sie lernen, Ihre Muskeln auf Kommando zu entspannen, ohne sie zuvor angespannt zu haben.
Ein Trigger kommt selten allein. Die Person neben Ihnen schnieft, kaut oder tippt auf einer Tastatur herum. Trigger dieser Art sind nahezu konstant. Um Ihr Gehirn neu zu vernetzen, ist es notwendig zu lernen, den Muskel Ihres ersten misophonischen Reflexes zu entspannen, bevor Sie dem Trigger ausgesetzt werden. Sie können natürlich auch andere Muskeln entspannen, doch ihr Reptiliengehirn wird nur geschult, wenn Sie im Vorhinein genau den Muskel entspannen, der vom Trigger attackiert wird.

Die Entspannung des Triggermuskels unterbricht die misophonische Reaktionskette nachhaltig

Wenn Sie lernen, den Reflexmuskel zu entspannen, wird er sich weniger zusammenziehen und entspannt sich fast sofort wieder. Ihr Reptiliengehirn wird so während der kritischen „Lernzeit“, d.h. in den ersten zwei Sekunden nach einem Trigger, einen viel entspannteren Muskel vorfinden und so beim nächsten Mal nicht so extrem reagieren. Allmählich verschwindet der körperliche Reflex komplett.
Muskelentspannung vor und während eines Triggers ist keine unwichtige Kleinigkeit. Sie ist vielmehr eine äußerst wirksame Schulung für das Reptiliengehirn. Betrachten Sie es nicht als Progressive Muskelentspannung, sondern als Muskelentspannungsübung, die tägliches Engagement erfordert. Sie können ihr Reptiliengehirn durch die Entspannung Ihres Reflexmuskels völlig umstrukturieren. Die Neural-Repatterning-Technique (NRT), die wir als nächstes besprechen werden, verwendet einen Trigger mit geringer Intensität, um Ihnen die Entspannung zu erleichtern.
Ein Patient hörte im ersten Misophonie-Seminar von den Entspannungstechniken. Nur 8 Monate später war er beim 2013-Seminar als Mitglied des Patientenausschusses anwesend und berichtete, wie es ihm ergangen war. Jahrelang hatte er sich nach seinem Trigger entspannt, um so seine Wut aufzulösen. Jetzt hatte er entdeckt, dass er sich bereits vor dem Trigger entspannen konnte. So konnte er seine Misophonie praktisch eliminieren – und das nur durch Muskelentspannung. Sein Initialreflex bestand in einem Hochziehen seiner Schultern. Als er lernte, seine Schultern vor einem Trigger zu entspannen, reduzierte er damit den Schweregrad seines Reflexes. Sein Reptiliengehirn wurde so umstrukturiert, dass beim nächsten Trigger sein Reflex etwas geringer ausfiel. Mein Artikel „Gegenkonditionierung: Den ersten misophonischen Reflex mit der Neural-Repatterning-Technique behandeln“, (englischsprachig) enthält einen ähnlichen Bericht. Eine Patientin begann erst mit der PME, ergänzte ihre Übungen mit NRT zusammen mit der Trigger-Tamer-App und lernte so, sich während ganz leisen Triggern zu entspannen. Sie konnte in der NRT-Behandlung zwei Trigger völlig eliminieren, setzte das Erlernte dann in Alltagssituationen um und reduzierte so weiter die Anzahl ihrer Trigger.
PME klingt vielleicht banal, aber richtig erlernt und angewendet kann diese Fertigkeit Ihnen helfen, Ihre Misophonie zu lindern oder gar zu eliminieren.

Neural-Repatterning-Technique (NRT)

Wie wir wissen, ist Misophonie ein zweiteiliger Prozess. Sie hören den Trigger, dieser löst einen körperlichen Reflex aus, was wiederum die extremen Emotionen oder die Kampf-oder-Flucht-Reaktion zur Folge hat (siehe untere Abbildung).

Alle Elemente zwischen dem Triggerstimulus und der emotionalen Reaktion

Wenn Sie also den körperlichen Reflex verhindern können, folgt auch keine emotionale Reaktion. Dies ist das Ziel der Neural-Repatterning-Technique. Durch das Reduzieren oder sogar Eliminieren des körperlichen Reflexes wird die Verbindung zwischen dem Trigger und Ihren misophonischen Emotionen (siehe untere Abbildung) unterbrochen.

Die Entspannung des Triggermuskels unterbricht die misophonische Reaktionskette nachhaltig

Es geht also darum, eine Gegenkonditionierung Ihres misophonischen Reflexes zu erreichen.
Die klassische Methode, einfach die negativen Emotionen durch positive Gedanken zu ersetzen, ist für Misophoniker schwierig bis unmöglich, weil in den zwei entscheidenden Sekunden nach dem Trigger die misophonischen Emotionen viel zu stark sind. Aufgrund dieser Problematik begann ich, den Trigger für die Neural-Repatterning-Technique, die ich 2013 entwickelte, zu reduzieren. Zusammen mit dem Trigger wird nämlich auch die Intensität des körperlichen Reflexes abgeschwächt. Es verhält sich damit ähnlich wie mit einer Allergiebehandlung. Wenn jemand eine Erdnussallergie hat, kann schon eine einzige Erdnuss diese Person umbringen. Trotzdem besteht die Behandlungsmethode darin, eine winzige Menge des tödlichen Serums zu injizieren. Wenn die Dosis nur verschwindend niedrig ist, reagiert der Körper mit einer genauso geringen Reaktion darauf. Wenn man das eine Zeitlang macht, gewöhnt sich der Körper schließlich an die Erdnuss und stellt seine Reaktionen ganz ein. NRT funktioniert auf die gleiche Weise. Sie erhalten sozusagen regelmäßig eine kleine Dosis Ihres Triggers, bis Ihr Reptiliengehirn schließlich nicht mehr darauf reagiert.
Der Patient befindet sich dazu während der Behandlung in einem positiven Umfeld – er hört z.B. seine Lieblingsmusik oder redet mit jemandem über schöne Erinnerungen, während seine Trigger fast unhörbar abgespielt werden. So entsteht ein positives Erlebnis, weil die Trigger so schwach sind, dass der misophonische Reflex keine negativen Gefühle erzeugt. Die Behandlung, die auch als Trigger-Tamer-Behandlung bezeichnet wird, war so erfolgreich, dass ich daraus eine App, den „Misophonia Trigger Tamer“, entwickelte.
Es ist ratsam, mit Aufnahmen zu arbeiten, aber es können natürlich auch Trigger live verwendet werden. Die Bewertungsskala des Reflexes reicht von null (keine Reaktion) bis fünf (maximale Reaktion). Die NRT-Behandlung eliminiert den körperlichen Reflex nicht unbedingt komplett, kann ihn aber um einiges reduzieren, so dass er mit der Zeit allmählich abstirbt oder zumindest so schwach bleibt, dass die emotionale Reaktion auf den Trigger stark reduziert wird. Das optimale Ergebnis der Neural-Repatterning-Technique – Behandlung ist eine Eins oder allerhöchstens eine Zwei. Die Person kann bei einer Eins noch positiv, gelassen und glücklich sein. Wir verbinden dann den Trigger mit etwas Schönem, beispielsweise Massage, entspannender oder fröhlicher Musik, je nachdem, was der Patient vorzieht. Einem meiner Patienten gefiel Rockmusik. Obwohl das nicht mein Geschmack ist, funktionierte es für ihn und war ein positiver Stimulus. Eine andere Patientin redete während ihrer Behandlung über ihre Erfolgserlebnisse. Eine Frau verwendete Fotos von ihren Neffen und eine andere von ihrem Hund, die sie einfach fröhlich stimmten. Egal was bei Ihnen die Laune hebt, die Hauptsache ist, dass Sie sich ruhig und glücklich fühlen, um so dem störenden Effekt des Triggers entgegenzuwirken. Konzentrieren Sie sich auf Ihren positiven Stimulus, entspannen Sie sich und lassen Sie Ihr Reptiliengehirn die nötigen Änderungen mit der Hilfe der Trigger-Tamer-App vornehmen.

Marthas Geschichte

Martha, eine 40-jährige Berufstätige, litt bereits ihr ganzes Leben unter ihrer Misophonie. Dank Atemübungen, Entspannungstechniken, geräuschunterdrückenden Kopfhörern und Ohrstöpseln schaffte sie es schließlich, ihre Reflexe zu reduzieren. Es gab zum Schluss nur noch einen Trigger, der sie hin und wieder aus der Fassung brachte. Während sie sich im Rahmen der Vorbereitung auf die NRT-Behandlung eine Aufnahme ihres Triggers anhörte, bemerkte sie ein Muskelzucken hinter ihren Ohren. Daraufhin konnte mit einer zielgerichteten NRT-Behandlung ihr Reflex komplett eliminiert werden. Als er schließlich verschwunden war, löste der Trigger in Alltagssituationen keine negativen Emotionen mehr aus.

Virginias Geschichte

Virginias Misophonie wurde von einem Familienmitglied ausgelöst, das ständig vor sich hin sang. Sie berichtet:
„Ich muss gestehen, ich war zu Anfang recht skeptisch. Als ich jünger war, dachte ich immer, ich wäre die Einzige mit diesem Leiden. Doch nach ungefähr drei Wochen der Behandlung bemerkte ich eine Verbesserung. Langsam wurde der Trigger weniger belastend und schließlich verschwand er komplett. Als ich dann den Trigger in Alltagssituationen hörte, spürte ich keine Wut mehr. Es war wie ein Wunder.“
Die Neural-Repatterning-Technique ist keine unangenehme Behandlung, sondern kann viel Spaß machen. Virginia beschreibt ihre NRT-Behandlung mit der Trigger-Tamer-App wie folgt:
„Ich bin jetzt schon fast 75 Jahre alt und habe mein ganzes Leben bestimmte Geräusche gemieden. Als ich mit der Behandlung begann, hatte ich meine Bedenken. Doch nachdem ich die ganze Sache verstanden hatte, freute ich mich auf meine Behandlung und es war erstaunlich, diese Geräusche plötzlich aushalten zu können. Es hat mein Leben verändert.“

Eine der ersten Personen, die die App kaufte, rief mich an, damit ich ihr bei den Einstellungen helfen konnte, um mit der Behandlung zu beginnen. Kurze Zeit später schrieb mir der Mann: „Ich habe gute Neuigkeiten. Seit zehn Tagen verwende ich die App täglich mindestens eine Stunde lang. Wenn ich mich gut fühle, verwende ich sie sogar bis zu drei Stunden während der Arbeit. Die Lautstärke drehe ich ganz allmählich hoch und steigere die Häufigkeit und Länge des Triggergeräusches (Schniefen). Mitten in einer Unterhaltung mit meinem Mitbewohner bemerkte ich heute, dass er schniefte und dass ich keinerlei Reaktion dabei fühlte. Ich konzentrierte mich dann sogar auf sein Schniefen und erwartete negative Gefühle. Diese blieben jedoch aus.
Außerdem habe ich eine Verbesserung meiner Empfindlichkeit gegen Kaugeräusche festgestellt. Generell spüre ich viel weniger Stress, wenn ich mit dem Trigger rechne. Natürlich gefällt mir das Geräusch immer noch nicht, aber ich komme jetzt viel besser damit klar. Schon allein die Stressreduzierung ist klasse.“
Die NRT-Behandlung heilt Misophonie nicht, kann jedoch den Reflex um einiges reduzieren. Das Ziel dieser Behandlung ist, ihren misophonischen Reflex als eine kleine, stressfreie Reaktion wahrzunehmen, so wie ein Zwinkern. Diese ist nie rein emotional, sondern schließt eine körperliche Reaktion mit ein, die aber sofort wieder verschwindet.
Für einen effektiven Lernprozess ist der richtige Trigger-Intervall wichtig. Dieser sollte so sein, dass der Trigger oft genug zu hören ist, aber keinen Stress auslöst. Die meisten Patienten haben den größten Erfolg mit Trigger-Intervallen zwischen 15 Sekunden und zwei Minuten. Mit der Abnahme Ihrer Reflexreaktion intensivieren Sie den Trigger, damit Ihre körperliche Reaktion immer auf einer Skala zwischen null und fünf bleibt. In manchen Fällen wurde eine Verbesserung nach 100-300 Triggern mit der Trigger-Tamer-App berichtet, es gibt aber auch Fälle, in denen sich der Reflex selbst nach 1000 Triggern nicht reduzierte.
Wenn Sie den Reflex mittels einer Triggeraufnahme auflösen konnten, wechseln Sie zu einer ähnlichen Aufnahme. Wenn Sie bis zu vier Aufnahmen auf der Trigger-Tamer-App aushalten können, sind Sie für Trigger in Alltagssituationen bereit. Sie werden immer noch einen Reflex spüren, doch er wird sehr viel schwächer ausfallen.
Ich schlage vor, dass Sie diese Behandlung 30 Minuten täglich, vier bis sechs Tage die Woche durchführen. Genießen Sie Ihre Behandlung. Lächeln Sie, hören Sie Musik und entspannen Sie sich. Während Sie sich wohlfühlen, setzen Sie sich kleinen Triggern aus. Mit der Trigger-Tamer-App kontrollieren Sie Ihre Trigger. Sie sind der Boss.
Achten Sie darauf, dass Sie tatsächlich einen körperlichen Reflex spüren. Wenn Sie sich einfach genervt oder vom Geräusch angeekelt fühlen, aber keine körperliche Reaktion haben, wird die NRT-Behandlung keinen Effekt haben. Achten Sie darauf, ob sich Ihr Reptiliengehirn wirklich umstrukturiert. Wenn Sie nach ca. sechs Behandlungen weder das Volumen noch die Häufigkeit erhöhen müssen, um Ihre körperliche Reaktion auf Stufe „eins“ beizubehalten, dann hat sich in Ihrem Reptiliengehirn noch nichts verändert. Das heißt, Sie müssen etwas an Ihrer Behandlung ändern.

Die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie (SRT)

Chris Pearson
Bild: Chris Pearson

Bevor Chris Pearson seine „Sequent-Repatterning-Hypnotherapie für Misophonie“ entwickelte, zeigte sich die Hypnotherapie bei Misophonie als weitgehend uneffektiv oder bot nur kurzzeitige Linderung. Misophonie wurde von Hypnotherapeuten generell als Phobie behandelt. Aufgrund des physischen Reflexes, der mit der Misophonie zusammenhängt, ist es für Misophoniker unmöglich, nicht auf den Triggerstimulus zu reagieren oder ihn ganz zu ignorieren. Man kann zwar Geräusche ignorieren, jedoch ist es unmöglich, den physischen Reflex auszublenden.
Die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie ermöglicht es dem Misophoniker, die körperliche Auswirkung des misophonischen Reflexes zu spüren, ohne eine emotionale Reaktion darauf zu haben. Der Kontext einer physischen Empfindung kann eine große Auswirkung auf die darauf folgende emotionale Reaktion haben. Wenn eine Krankenschwester Ihnen eine Spritze verabreicht, bleiben Sie vermutlich vollkommen ruhig. Doch wenn irgendeine Person Sie mit einer Nadel sticht, reagieren Sie garantiert stark emotional. Während der Therapie wird über mehrere Sitzungen hinweg eine entspannende Reaktion aufgebaut. Der Patient lernt, auf die körperliche Empfindung mit diesem beruhigenden Gefühl zu reagieren, statt wie normalerweise mit Ärger. Wie unten gezeigt löst die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie die emotionale Reaktion vom körperlichen Reflex und ersetzt sie durch eine positive emotionale Reaktion.

Mit SRT wird der Muskelreflex umgelenkt, indem er positiv belegt wird.

Die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie besteht aus fünf Behandlungsschritten, die normalerweise bis zu acht Hypnotherapiesitzungen erfordern. In den ersten drei Schritten wird das emotionale Gleichgewicht des Patienten gestärkt und ein Beruhigungsreflex entwickelt. Schritt vier unterbricht die Verbindung zwischen der emotionalen misophonischen Reaktion und dem körperlichen Reflex und ersetzt diesen durch den Beruhigungsreflex. Da die meisten Misophoniker normalerweise auf alle ihre Trigger mit dem gleichen Reflex reagieren, reduziert dieser Schritt die emotionale Reaktion auf alle Trigger gleichzeitig. Im fünften Schritt wird dann jeder Trigger einzeln angegangen, um die Verbindung zwischen dem körperlichen Reflex und dem Triggerstimulus zu unterbrechen.
Im Jahr 2013 behandelte Chris Pearson 15 Patienten mit der Sequent-Repatterning-Hypnotherapie. Diese bewerteten ihren Misophonie-Schweregrad in „Stresseinheiten“ (1: vernachlässigbar bis 10: schwerwiegend). Bei neun dieser Patienten verbesserte sich ihre Misophonie drastisch. Sie bewerteten sie nach der Behandlung mit Werten zwischen eins und drei. Vier Patienten zeigten eine mäßige Verbesserung um etwa vier bis sechs Stresseinheiten. Eine Person brach ihre Behandlung ab und eine weitere sprach auf die Behandlung nicht an. Im Mai 2015 wurde eine Nachuntersuchung mit elf der dreizehn Patienten durchgeführt, die mit der Behandlung Erfolg hatten. Sechs davon hatte der Erfolg angehalten, bei vieren hatte sich ihr Zustand ein wenig verschlechtert und ein Patient mit mäßiger Verbesserung hatte einen Rückfall erlitten. Die Patienten wurden angewiesen, täglich eine einminütige Beruhigungsübung durchzuführen. Bei fünf der sechs Patienten, die mit dieser Übung konsequent waren, blieb der Erfolg konstant.
Chris Pearson und das Misophonie-Behandlungsinstitut sind dabei, ein Schulungsprogramm für Hypnotherapeuten in die Wege zu leiten, damit mehr Betroffene von dieser Methode profitieren können. Bislang wurden vier Hypnotherapeuten geschult: drei englischsprachige, ein holländisch- und ein deutschsprachiger. Die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie kann über Video-Chat durchgeführt werden, also benötigen Sie nur eine gute Internetverbindung. Wir sind noch in der Anfangsphase dieser Methode, aber die Resultate unserer bisherigen Patienten machen uns Hoffnung, dass sie vielen Misophonikern helfen kann. Bislang haben wir keine Beschränkung des Anwendungsbereichs entdeckt und konnten sogar Kinder erfolgreich behandeln.
Eine erfolgreiche Behandlung ist schon mit den ersten vier Schritten der Therapie möglich, in denen die miso-emotionale Reaktion vom körperlichen Reflex gelöst wird. Der letzte Schritt, der den körperlichen Reflex komplett beseitigt, schlägt nur bei sehr wenigen Patienten an. Aber den misophonischen Schweregrad von mäßig auf gering oder von schwerwiegend auf mäßig zu senken, ist bereits ein großer Erfolg.
Die Sequent-Repatterning-Hypnotherapie mit anderen Behandlungen wie der NRT oder der Muskelentspannung zu verbinden, kann sicherlich zu noch weiteren Verbesserungen führen. In einigen Fällen konnten Patienten mit SRT zwar ihre emotionalen Reaktionen zum Trigger eliminieren, doch der körperliche Reflex störte sie weiterhin. Daraufhin wurde NRT eingesetzt, um diesen zu reduzieren. In einem Fall gelang sogar die komplette Beseitigung des Reflexes. Wenn NRT als Folgebehandlung nach SRT eingesetzt wird, ist diese Therapie weit schneller und allgemein effektiver als in den Fällen, in denen sie als erste Behandlung angewendet wurde. Der Grund dafür ist, dass Trigger weit aggressiver angegangen werden können, wenn die emotionale Komponente nicht mehr existiert.

Nachtrag: Die deutsche Therapeutin, von der hier die Rede ist, praktiziert leider nicht mehr. Ich informiere sofort über neue Therapeuten, wenn ich von ihnen höre. Hier noch die Antwort von Chris auf meine Anfrage, vielleicht fühlt sich ja der eine oder andere Hypnotherapeut angesprochen: Andreas, Thanks for getting in touch. Our German-speaking therapist was, in fact, a resident of The Netherlands and she has sadly been very unwell. As far as I am aware, she is now not practising leaving us again with only English-speaking practitioners. I am very keen to increase the availability of sequent repatterning and will welcome an opportunity to train individuals or groups either here in UK or in Germany (Or elsewhere, of course.)

Verhaltenstherapie

Schriftzug VT - Verhaltenstherapie
Bild: Andreas Seebeck

Kognitive Verhaltenstherapie identifiziert problematische Muster in den Gedanken, Gefühlen und dem Verhalten einer Person. Gemeinsam versuchen Patient und Therapeut, diese dann durch ein angemesseneres Verhaltensmuster zu ersetzen. Außerdem gibt es spezielle verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die sich besonders auf die Reaktion des Patienten auf bestimmte emotionale Situationen konzentrieren.
In einer Fallstudie wird die Behandlung einer jungen Misophonikerin mit kognitiver Verhaltenstherapie beschrieben. Ihre zwischenmenschlichen Kompetenzen verbesserten sich nachhaltig. Auf ihre Triggerstimuli aber hatte die Behandlung keinen Einfluss.
Die Therapie umfasste die folgenden Komponenten:

  1. eine kognitive Komponente gegen negative Gedanken,
  2. eine Verhaltenskomponente, um unangemessene Verhaltensmuster und ängstlich-vermeidende Bewältigungsstrategien durch praktische und hilfreiche zu ersetzen,
  3. eine physiologische Komponente, um die autonome Reaktionsfähigkeit neu einzustellen.

Es konnte nur schwerlich bewertet werden, ob die Patientin die letzte Komponente, eine tägliche, 30-minütige Übung, tatsächlich durchgeführt hatte. Die Behandlung beseitigte anscheinend die konditionierte emotionale Reaktion auf die Trigger, hatte aber auf den körperlichen Reflex keinen Einfluss. Die Patientin empfand die Geräusche also weiterhin als störend, da sie einen Reflex spürte.

Eine weitere Fallstudie beschreibt die verhaltenstherapeutische Behandlung zweier Teenager im Alter von 11 und 17 Jahren. Sie umfasste Psychoedukation – die Aufklärung über die Störung, in diesem Fall Misophonie -, Expositionen und kognitive Umstrukturierungen, um die Patienten darin zu unterstützen, ihre Trigger zu tolerieren, ohne aggressiv zu werden, oder zu versuchen, sie zu vermeiden. In der Exposition wurden die Patienten immer stärkeren Triggern ausgesetzt und es wurde ihnen beigebracht, ihre Reaktionen zu unterdrücken. Bei dem 11-Jährigen wurde ein Belohnungssystem angewendet, wenn er es schaffte, sich den Triggern auszusetzen. Der 17-Jährige wurde nicht belohnt. Mit kognitiver Umstrukturierung wurden ihre Ansichten bezüglich der Geräusche bearbeitet, z.B.: „Meine Familie macht diese Geräusche mit Absicht, nur um mich zu ärgern“. Nach der Behandlung konnten beide Jugendliche mit ihren Familien zusammen essen, ohne dass besondere Maßnahmen ergriffen werden mussten. Gemäß ihren Selbstbewertungs-Fragebögen zeigten beide Jugendliche nach der Behandlung eine Senkung ihres Misophonie-Schweregrades, wobei diese bei dem 11-Jährigen minimal ausfiel. Die Fallstudie beinhaltet keine Nachuntersuchungen, daher wissen wir nichts über den weiteren Verlauf.
Ich spreche mich deutlich gegen diese Art von Expositions- bzw. Konfrontationsübungen aus. Bei diesen wird der eigentliche körperliche Reflex nicht behandelt. Ich befürchte, dass der 11-Jährige die nach außen hin sichtbaren Reaktionen nur unterdrückte, um die Belohnung zu bekommen, innerlich aber weiterhin unter starkem Stress stand. Auf diese Weise können sich neue Trigger und weit stärkere misophonische Reflexe entwickeln. In vielen Fällen verschlimmerte sich die Misophonie bei dieser Art von Behandlung.
Kognitive Verhaltenstherapie kann Ihnen dabei helfen, mit Ihrer Misophonie besser umzugehen, indem Sie Ihre Einstellung gegenüber Ihren Triggern ändern. Viele Patienten bestätigen die positiven Ergebnisse dieser Behandlung. Sie wird auch vom Misophonie-Management-Programm als Behandlungsmethode empfohlen, durch die die Misophonie selbst zwar nicht geheilt oder gelindert werden kann, mit deren Hilfe Patienten aber erlernen können, sie als einen Teil von sich zu akzeptieren und mit ihr zu leben.

Konfrontationstherapie bei Misophonie: Wann sie hilft und wann sie schadet

Fakt ist, dass Konfrontationstherapie bei Misophonie leider nicht so einfach funktioniert. Wenn unter Misophonie leidende Menschen akustischen Auslösern schonungslos ausgesetzt werden, weil man hofft, dass sie sich dadurch irgendwann daran gewöhnen werden, wird das schief gehen. Es ist wohl einer der schlechtesten Ansätze, wenn der Therapeut sagt: „Sie setzen sich jetzt hier hin, während ich eine Tüte Chips esse, und wenn wir das nur oft genug wiederholen, wird das Ihrer Misophonie bestimmt helfen.“ Es gibt nur sehr wenige Berichte von Erfolgen durch diese Methode – und sie kann auch nur funktionieren, wenn die Betroffenen diese Art der Therapie selbst wünschen und sich entsprechend einbringen. Bei Kindern ist diese Methode unbedingt zu vermeiden. Bei Konfrontationstherapien werden die Betroffenen dem Trigger für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt – zunächst nur kurz, später dann immer länger. Das Problem dabei ist, dass dadurch der ursprüngliche physikalische Reflex und die darauffolgende emotionale Reaktion verstärkt werden können. Während so eines Therapieprozesses können sich auch neue Trigger entwickeln. Es gibt unzählige Berichte von Personen in Misophonie-Hilfegruppen, die berichten, dass ihre Misophonie sich durch Konfrontation deutlich verschlimmert hat.
Sollte Ihnen also jemand vorschlagen, dass Sie sich ganz einfach Ihren Triggern aussetzen sollen, bis Sie sich daran gewöhnt haben (besonders Therapeuten, die sich nicht auf Misophonie spezialisiert haben), dann würde ich Ihnen dringend einen Therapie- oder sogar Therapeutenwechsel empfehlen.

Es ist aber nicht so, dass jegliche Form der Konfrontation mit Triggern vermieden werden muss. Es gibt korrekte und fatale Formen der Konfrontation. Die gestaffelte und ansteigende Konfrontation mit dem Trigger hat in mehreren Studien und Versuchen, die in Fachzeitschriften publiziert wurden effektive Erfolge und Besserung gezeigt. Es ist wichtig, dass man dabei ruhig und gelassen bleibt und während der andauernden Therapie sogar immer stressfreier wird. Konfrontation unter Entspannung heißt das in der Verhaltenstherapie. Trotzdem sollte man sich heftigen akustischen Reizen, mit der Absicht seine Misophonie zu reduzieren, nicht selbst aussetzen. Wahrscheinlich wird man Sie während der Therapie bitten, dass Sie sich akustische Reize anhören, jedoch wird man Ihnen vorher auch Methoden zur Selbstberuhigung beibringen. Es ist vollkommen in Ordnung, dies mit ein paar kleine Auslösern zu üben und dadurch die Fähigkeit, sich gezielt zu entspannen, zu stärken. Dadurch wird die emotionale Reaktion auf den Trigger stetig vermindert.
Zu empfehlen ist die „Neural Repatterning“-Technik, auch „Trigger Tamer“- Technik  genannt. Diese Therapiemethode verändert und reduziert die Trigger so, dass sie nur noch einen kleinen Misophonie-auslösenden Reiz abgeben. Die Konfrontation findet also in einem sehr kontrollierten Maße statt und der minimale Reiz erlaubt es dem Gehirn, sich umzustrukturieren. Mit Muskelentspannungsübungen wird dem Betroffenen geholfen, alle Muskeln im Körper während der Triggersituation zu entspannen und somit die Reaktion auf den Auslöser zu minimieren. Es ist falsch, dass ausnahmslos alle Behandlungsmethoden, die akustische Reize und Auslöser involvieren, schädlich sind. Aber wie gesagt: Es ist wichtig, dass der Therapeut die Besonderheiten der Misophonie in Bezug auf Konfrontation kennt.

Studie über die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen bei Misophonie

Eine neue Studie zum Thema Misophonie zeigt, dass bestimmte Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie bei Misophonie durchaus wirksam sind. Während man in der Universitätsklinik Amsterdam längst weiß, dass Expositionsübungen nicht dazugehören, werden hierzulande Misophonie-Patienten leider immer noch unnötigerweise mit Trigger-Konfrontationen gequält. Thomas Dozier, Autor von „Misophonie verstehen und überwinden“, hat das Wesentliche der Studie kurz zusammengefasst und ich habe diese Zusammenfassung nun übersetzen lassen:

Die Fachzeitschrift zur Therapie Affektiver Störungen (Journal of Affective Disorders) veröffentlichte im April 2017 den Forschungsbericht einer Misophonie-Behandlungsstudie, die in der psychiatrischen Abteilung der Universitätsklink in Amsterdam durchgeführt wurde. Der Hauptautor Arjan Schröder ist schon als erster Autor der Forschungsstudie „Misophonie: Diagnostische Kriterien einer neuen psychiatrischen Störung“ aus dem Jahr 2013 bekannt geworden.

90 Teilnehmer (65 Frauen und 25 Männer) nahmen an der Behandlungsstudie teil. Patienten mit Suchterkrankungen, bipolaren Störungen, Autismusspektrumsstörungen oder psychotischen Störungen wurden nicht in der Studie mit eingeschlossen. Die Patienten gehörten verschiedenen Altersgruppen an und litten in unterschiedlichen Schweregraden an Misophonie. Der durchschnittliche Schweregrad war „mäßig“ (A-MISO-S-Wert = 13,6).

Die Behandlung umfasste

  1. Gruppensitzungen, wöchentlich oder zweiwöchentlich (8 Sitzungen für Kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungsübungen), mit jeweils 6 bis 9 Teilnehmern
  2. Konzentrationsübungen zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsverlagerung
  3. Gegenkonditionierung (Trigger hören und zugleich ein angenehmes Erlebnis verspüren)
  4. Triggermanipulation – Bearbeitung, Verringerung und Veränderung der Trigger auf dem eigenen Computer
  5. Entspannungsübungen

Ergebnis: 58% berichteten von einer deutlichen Verbesserung. Davon kamen fast alle (48%) auf eine mindestens 30% niedrigere A-MISO-S-Wertung. Bei 9% (8 Patienten) verschwanden die Symptome sogar komplett.

Bemerkungen einiger Patienten bezüglich der Behandlung:

  • Die Konzentrationsübungen halfen dabei, die Aufmerksamkeit vom Trigger auf andere Sinnesreize zu verlagern (z.B. eine Unterhaltung).
  • Die Gegenkonditionierung half einigen Patienten, die Trigger mit positiven Gefühlen zu verbinden.
  • Die Triggermanipulationsübung gab den Patienten das Gefühl, dass die Trigger zu einem gewissen Grad kontrolliert werden können. Sie fühlten sich weniger überwältigt, wenn sie den echten Triggern ausgesetzt waren.
  • Die Patienten fühlten sich dank der Entspannungsübungen weniger irritiert und eher dazu im Stande, ihre Trigger zu tolerieren.

Link zum Forschungsbericht

Kurse nach der Methode der Universitätsklinik Amsterdam und Thomas Dozier

Ebenso wie die Experten der Universitätsklinik Amsterdam vertritt auch Thomas Dozier die Auffassung, dass es sich bei Misophonie um eine Störung durch Konditionierung und nicht durch Traumatisierung handelt. Die Gegenkonditionierung beschreibt er in seinem Buch „Misophonie verstehen und überwinden“. Er entdeckte auch, dass jede misophonische Reaktion in Zusammenhang mit einem Muskelreflex steht. Das Einbeziehen dieses Reflexes in die Therapie erhöht die Erfolgschancen erheblich.

Bei Interesse an einem Kurs nach dem Schema der Studie und nach Thomas Dozier melden Sie sich bei mir unter Kontakt.

Neurofeedback

Nahaufname des Kopfes einer Frau, Gehirnwellen im Hintergrund
Bild: Shutterstock

Beim Neurofeedback wird dem Patienten durch Auswertungen der eigenen Hirnstrommuster sein Bewusstseinszustand (zum Beispiel wach, schlafend, aufmerksam, entspannt, gestresst) rückgemeldet. Dadurch wird es ihm ermöglicht, eine bessere Selbstregulationsfähigkeit zu entwickln.
Es gibt keine eindeutigen Aussagen oder veröffentlichte Fallstudien bezüglich der Wirksamkeit von Neurofeedback bei Misophonie. Bei manchen Patienten ist die Behandlung sehr erfolgreich, bei vielen zeigt sie jedoch keine Wirkung. Dr. Randall Lyle aus Cedar Rapids, Iowa, ist ein hochqualifizierter Therapeut mit praktischer Erfahrung in Neurofeedback und hat misophonische Symptome mit dieser Behandlungsmethode reduzieren können. Dies ist jedoch ein langwieriger Prozess, der zwischen 40 und 100 Sitzungen erfordern kann. Gerade wegen dieser langen Dauer hat Neurofeedback womöglich eine eher indirekte Auswirkung auf Misophonie.
Gemäß Dr. Lyle kann eine solche Therapie ergänzend zur Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Stress, chronischer Müdigkeit, Migräne, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), und Zwangserkrankungen eingesetzt werden. Außerdem wird die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden gesteigert.
Da Misophonie mehrere Reaktionsschritte umfasst und Neurofeedback die Reaktion einer Person auf aversive Auslöser abschwächt, ist der primäre Effekt eine schwächere emotionale Reaktion. Der körperliche Reflex, der normalerweise durch die Wiederholung des Triggers und der allgemeinen misophonischen Reaktion gestärkt wird, kann dann möglicherweise ebenfalls schwächer ausfallen. Das Entscheidende dabei ist, dass Neurofeedback Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden verbessern kann. Wenn Sie auf diese Weise Ihre allgemeinen Gesundheitsprobleme beseitigen, reduzieren Sie automatisch Ihre Misophonie-Symptome.
So ähnlich, wie es auch bei Connor war, dem bereits erwähnten Soldaten, der nach seinem Einsatz in Afghanistan an PTBS und Misophonie litt. Er verbesserte seinen Allgemeinzustand mit Progressiver Muskelentspannung und der „Keine Gefahr, aber trotzdem danke“-Methode und konnte so seine Misophonie praktisch eliminieren. Dank der Muskelentspannung konnte er nachts besser schlafen und seine PTBS-Symptome reduzieren. Sein allgemeines Wohlbefinden verbesserte wahrscheinlich sofort seine Misophonie. Da er seine emotionalen Reaktionen auf lange Sicht senken konnte, wurde sein konditionierter misophonischer Reflex immer schwächer und verschwand schließlich vollständig.

Medikamente gegen Angststörungen und Depressionen (Anxiolytika und Antidepressiva)

Ein kleiner Haufen Medikamente
Bild:  Tim Reckmann / pixelio.de

In einer Studie verglichen wir die Auswirkungen verschiedener Behandlungen auf Misophonie. Da einige Teilnehmer mehrere Behandlungsmethoden durchgeführt hatten und nur die letztendliche Gesamtwirkung beschrieben, war es schwer, die Auswirkungen der einzelnen Methoden zu bestimmen. Eine Regressionsanalyse zeigte, dass Medikamente für Angststörungen oder Depressionen einen messbaren positiven Effekt auf den Misophonie-Schweregrad hatten. Ich rate aber von der Einnahme dieser Medikamente als allgemeine Misophonie-Behandlung ab. Wenn Sie jedoch an Depressionen oder Angstzuständen leiden, die nicht mit Ihrer Misophonie zusammenhängen, kann die passende medikamentöse Behandlung dieser Leiden auch Ihre Misophonie verbessern. Die Medikamente scheinen nur eine indirekte, aber dennoch positive Auswirkung auf Misophonie zu haben.

Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT)

Zeichnung eines Ohres und einer roten Spirale
Bild: Shutterstock

Schon Dr. Pawel und Dr. Margaret Jastreboff verwendeten TRT als eine Behandlungsmethode für Misophonie. Viele Audiologen haben Erfahrung damit, wobei einige sie nur bei Tinnitus und Hyperakusis einsetzen. TRT umfasst den Einsatz von Hörgeräten, die angenehme Geräusche abspielen können, sowie begleitende Beratung. Der Unterschied zum Misophonie-Management-Programm ist, dass letztere Methode nicht mit angenehmen Geräuschen arbeitet. In einer Fachzeitschrift wurde die Behandlung von 184 Misophonikern dokumentiert, 152 davon zeigten eine deutliche Verbesserung. Sie wurden vor und nach der Behandlung gefragt: „Als wie problematisch empfinden Sie Ihre Misophonie?“ und berichteten eine Senkung von mindestens zwei Punkten auf der 0-10-Skala. Ich kann anhand der Daten nicht bestimmen, ob diese Behandlung wirkungsvoller als die mit dem Misophonie-Management-Programm ist, denn dadurch, dass die Daten auf Selbstbewertungen basieren und die berichteten Veränderungen gering sind, ist eine Auswertung sehr problematisch. Patienten werden unbewusst davon beeinflusst, dass sowohl sie als auch ihr Arzt eine Verbesserung sehen wollen, und das spiegelt sich in ihrer Selbstbewertung wider. Wir hoffen natürlich, dass diese Behandlung eine positive Auswirkung auf Misophoniker hat und dass es zukünftig mehr Informationen bezüglich der Tinnitus-Retraining-Therapie und den Vorzügen ihrer individuellen Komponenten geben wird.

Das Blockieren des Reflexes

Es gibt einige misophonische Reflexe, die Sie blockieren können. Meine Lieblingspatienten sind die, deren Reflex die Verengung der Speiseröhre ist, denn dieser ist einer der wenigen Reflexe, die blockiert werden können, bevor sie ausgelöst werden. Sie müssen einfach nur schlucken, wenn sie ihren Trigger hören. Wenn das also Ihr Reflex ist, können Sie sogar schon innerhalb von ein oder zwei Wochen eine Verbesserung erreichen. Schlucken Sie innerhalb einer Sekunde, nachdem Sie den Trigger gehört haben. Auf diese Weise tragen Sie zur Gegenkonditionierung Ihres Initialreflexes bei, können ihn reduzieren und schließlich eliminieren. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass Misophonie eine konditionierte Reflexstörung ist.

Taucherin, Engelfisch im Vordergrund
Bild: Corel Photo

Ein recht üblicher Reflex ist das Schnappen nach Luft. Sie haben ebenfalls Glück, wenn Sie diesen Reflex haben, denn er kann mit einfachem Atmen bewältigt werden. Wichtig ist, die Luft nicht anzuhalten, sondern so zu atmen, wie es Taucher tun. Im Tauchunterricht wurde uns beigebracht, ständig ein- und auszuatmen und niemals die Luft anzuhalten. Würde man das tun, so könnten die Lungen Schaden nehmen. Üben Sie also Unterwasseratmung. Atmen Sie langsam vier oder fünf Sekunden lang ein, und dann im gleichen Rhythmus wieder aus. Wenn Sie so Ihre Atemmuskulatur kontrollieren, werden Sie Ihre Misophonie beträchtlich reduzieren.
Es scheint eine sehr geringe Anzahl von Reflexen zu geben, die man mit einem noch stärkeren Reflex blockieren kann. Wenn Sie einen Weg gefunden haben, einen Ihrer Reflexe auf diese oder eine andere Weise zu hemmen, teilen Sie es mir bitte mit. Vielleicht gibt auch weitere medizinische Behandlungen (z.B. Botox?), die Ihnen geholfen haben. Bitte setzten Sie mich auch darüber in Kenntnis, denn alle derartigen Informationen helfen mir im Kampf gegen die Misophonie.

Aus: Misophonie verstehen und überwinden von Thomas Dozier

Misophonie-Behandlung mit der Trigger-Variations-Technik (TVT)

Zwei Hände halten die Erdkugel, auf der ein Baum steht
Bild: Rehanna Webster

Die Trauma Buster Technique (TBT) ist eine Methode zur sanften Behandlung von Traumafolgesymptomen. Dass ein kleiner Teil der TBT-Methode (der auf den auditiven Kortex im Gehirn wirkt) bei der Auflösung von misophonischen Triggern hilft, war eine Zufallsentdeckung. Diese TBT-Auditiv-Behandlung, die wir TVT genannt haben, rührt keine Traumata an; man muss dazu nur seinen Trigger kennen – mehr nicht.

Nach dem letzten Kompetenztag in Berlin habe ich mit den dort anwesenden Therapeuten eine Arbeitsgruppe Misophonie gegründet. Nun haben wir ein komplettes Behandlungskonzept ausgearbeitet. Denn wir haben festgestellt, dass mit TVT zwar sehr schnell Erfolge zu erzielen sind, die Triggerreaktion aber meist nicht komplett verschwindet. Auch Wiederholen desselben Behandlungsablaufs brachte keine weiteren Verbesserungen. Erst als wir den vollständigen TBT-Prozess auf frühere Ereignisse, die mit dem Trigger zusammenhingen, angewandt haben, fiel die Intensität der Triggerreaktion weiter.

Wir haben Erfahrungen mit mittlerweile 60 Klienten gesammelt, die mit TVT behandelt worden sind. Das Ergebnis ist Folgendes:

  • Bei 10% war der Trigger sofort nach der Behandlung vollkommen und dauerhaft verschwunden
  • Bei 85% wurde die Triggerintensität um etwa die Hälfte reduziert
  • Bei 5% zeigte die Behandlung keinerlei Wirkung auf den Trigger

Der Zeitaufwand beträgt etwa 15 bis 30 Minuten pro Trigger.

In den Fällen, in denen noch keine vollständige Auflösung der Triggerreaktion erreicht worden ist (also in 90% aller Fälle), folgt eine TBT-Behandlung, mit der frühere Ereignisse, die mit dem Trigger zusammenhängen, aufgelöst werden. Nach unserer bisherigen Erfahrung lässt sich dadurch eine weitere Reduktion der Triggerreaktion erreichen. Pro Sitzung kann eines dieser Ereignisse behandelt werden. Meist sind nur ein bis zwei Sitzungen notwendig, um die Triggerreaktion durchschnittlich um 90% zu reduzieren.

Wir möchten hier vorsichtig sein: Bislang scheint die Wirkung dauerhaft zu sein. Allerdings macht die Behandlung mit TVT nicht immun! Jemand, der dazu neigt, misophonische Triggerreaktionen zu entwickeln, wird immer vorsichtig sein müssen, wenn er unter Stress sich wiederholenden Geräuschen ausgesetzt ist. Hier sind alle Tipps von Thomas Dozier hilfreich.

Momentan bieten wir TVT sowohl in der Therapie als auch im Coaching an. Die Technik stellt eine eine Sofortmaßnahme dar, eingebunden in einem größeren Konzept, das insgesamt das Leben mit einer Misophonieneigung verbessern soll.

TVT inspiriert durch Amsterdamer Misophonieforschung

Für Menschen, die unter Misophonie leiden, dreht sich alles um ihre Trigger. Jemand, der z. B. auf Essgeräusche reagiert, kann nur noch bedingt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen; bei zu vielen Gelegenheiten wird gegessen.
Seitdem die Studie von Misophonie-Forscher Thomas H. Dozier belegt hat, dass es sich bei Misophonie um eine komplexe Konditionierung handelt, ist klar, dass eine Behandlung nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Betroffene entspannt ist und sich in einer positiven Grundstimmung befindet. Und gerade das ist schwierig, weil jede Konfrontation mit Triggern Wut oder Ekel auslöst. Alles andere als gute Voraussetzungen für die Behandlung. Therapeutische Ansätze, die eine entspannte Beschäftigung mit Triggern ermöglichen, werden dringend gesucht. Die Universitätsklinik Amsterdam, die auf diesem Gebiet forscht und auch die „Amsterdam Misophonieskala“ entwickelt hat, versucht es damit, Betroffene ihre Triggergeräusche mit einem Computer verfremden zu lassen (Siehe entspr. Beitrag).

Die Trauma Buster Technique wurde zur Auflösung von Traumafolge-Symptomen entwickelt. Auch hier werden stressbehaftete Erfahrungen auf unterschiedlichste Arten verändert – in der eigenen Vorstellung. Der Ansatz der Forscher aus Amsterdam war Anlass, TBT für die Auflösung von auditiven Misophonie-Triggern einzusetzen.

Klopfakupressur

Das Beklopfen bestimmter Akupunkturpunkte bei gleichzeitiger achtsamer Beobachtung der eigenen Gefühle ist mittlerweile weltweit bekannt und in der Effektivität unübertroffen.

Das übliche Vorgehen funktioniert leider nicht

Leider fällt Misophonie als Konditionierung eines aversiven Reflexes sehr aus dem Rahmen der Beschwerden, die sich mit Klopftechniken leicht auflösen lassen. Bei einer Spinnenangst z. B. würden Sie sich Schritt für Schritt einer Spinne nähern, während Sie gleichzeitig auftretende Emotionen wie Angst oder Ekel durch das Klopfen auflösen. Am Ende können Sie die Spinne sogar problemlos berühren. Bei Fahrstuhlangst nähern Sie sich langsam einer Fahrstuhlfahrt, bei Höhenangst einem Geländer und so weiter. Genau dieses übliche Vorgehen funktioniert bei Misophonie überhaupt nicht! Die Hoffnung, dass Sie sich nur beklopfen müssen, während Sie sich Ihrem Trigger aussetzen, ist vergeblich. Das wäre eine Konfrontation, die die Misophonie sogar noch verschlimmern kann!

Wie Klopfakupressur helfen kann

Trotzdem können Sie Klopfakupressur einsetzen. Das Beklopfen der Meridiane hat eine beruhigende Wirkung. So können Sie die Wut, nachdem Sie getriggert worden sind, durch Klopfen schneller loswerden. Auch wenn Sie vor bestimmten Situationen Angst spüren, weil sie befürchten, getriggert zu werden, können Sie so auflösen. Auch die Kombination mit der „Keine Gefahr, trotzdem Danke“-Technik hat sich bewährt. Benutzen Sie diesen Satz als Erinnerungssatz, währen Sie Ihre Wut auflösen.

Trauma and Tension Releasing Exercises (TRE)

Diese körperbasierte Technik hat sich besonders bei den Misophonikern bewährt, deren Muskelreflex sehr stark ist und die dadurch schon sehr stark verspannt sind. Ich hatte schon Fälle, bei denen allein der Einsatz dieser Technik zur Auflösung der Misophonie geführt hat.

Hintergrund zur Technik: Muskeln fangen an zu zittern, wenn sie entweder überlastet oder verspannt sind. Das Zittern von verspannten Muskeln aber lässt sich bewusst unterdrücken. Da Zittern verpönt ist, unterdrücken wir diese natürliche gesunde Funktion der Muskulatur vom Kleinkindalter an und haben uns als Kind und Erwachsener so daran gewöhnt, dass wir uns dessen nicht mehr bewusst sind. Durch gezielte Übungen kann man den Muskeln das Zittern wieder erlauben. Die Tiefenentspannung, die dadurch erzielt werden kann, ist enorm.

Link zum Youtube-Video von Heiner Steckel über TRE.
Hier ein Video meines Lehrers Heiner Steckel

Zum Schluss: Die Suche nach Therapeuten, die sich mit Misophonie auskennen…

Deutschlandkarte mit Fragezeichen und einem ratlosen Comicgesicht
Bild: Andreas Seebeck

…gestaltet sich schwierig. Wir haben probeweise sämtliche Psychotherapeuten der Landkreise Vechta und Oldenburg abtelefoniert. Kein einziger wusste etwas über Misophonie. Einige hatten sich aufgrund unserer Anfrage im Internet informiert und meinten, sie seien eher nicht zuständig (was bei tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapeuten auch stimmt).

Eine einzige Adresse haben wir (von einem Betroffenen) bis jetzt: ein Ohrenarzt, der sich mit dem Thema auskennt. Er kann Misophonie diagnostizieren und entsprechend dann z.B. Noiser verschreiben, die die Gefahr des getriggert werdens senken. Damit wird man seine Misophonie zwar nicht los, aber es verhindert zumindest eine Verschlimmerung. Seine Adresse: Dr. med. Christian Hellweg, Goethestraße 21, 60313 Frankfurt am Main (Website).

Was nun die Suche nach einem Verhaltenstherapeuten mit Kassenzulassung betrifft: Solange Sie selbst genau über Misophonie Bescheid wissen, genügt es, wenn Sie einen finden, der Sie ernst nimmt. Die Aufklärung über Misophonie und die erforderlichen Behandlungsschritte (Konfrontation unter Entspannung, auf keinen Fall etwas in Richtung Flooding) können Sie dann selbst übernehmen und weiter verfahren. Das ist besser als nichts.