Die hier angeführten Bewältigungsstrategien werden zwar nicht Ihre misophonischen Reflexe ändern, können aber deren Auswirkung auf Ihr Leben reduzieren. Gute Bewältigungsstrategien können Ihren Misophonie-Schweregrad um einiges senken und sie sind generell der erste Schritt im Behandlungsverlauf, denn sie bieten sofortige Linderung. In manchen Fällen sind sie sogar ausreichend, um den Schweregrad auf ein akzeptables Niveau zu senken.
Auch wenn Sie nicht selbst betroffen sind, sondern mit einem Misophoniker zusammenleben: Ergreifen Sie alle Maßnahmen vorausschauend und seien Sie konsequent. Wenn Sie beispielsweise Hintergrundgeräusche im Esszimmer verwenden, dann tun Sie es ohne Ausnahmen. Und warten Sie nicht, bis der Misophoniker sich beschwert oder schreiend aus dem Zimmer rennt. Er wird gelassener sein, wenn Sie zuverlässig und vorausschauend seine Trigger minimieren oder sogar ganz eliminieren. Wenn er nicht dauernd vor potentiellen Triggern Angst haben muss, senkt sich sein Angstniveau. Der Schweregrad seiner Misophonie wird stark vermindert, einschließlich der extremen Emotionen, die mit seinen Triggern verknüpft sind.
Offen über Misophonie reden
Wenn wir versuchen, unsere Trigger und die damit verbundenen Gefühle zu beschreiben, verwenden wir meist Alltagsbegriffe. Wir sagen zum Beispiel: „Mir gefällt das Geräusch nicht“, oder „Die Geräusche stören, irritieren oder nerven mich unheimlich“. Das Problem dabei ist, dass diese Ausdrücke Missverständnisse verursachen, denn andere denken dann, dass sie genau wissen, was Sie damit meinen. Wenn Sie z.B. sagen: „Ich mag das Geräusch nicht“, denke ich mir: „Ich mag keine gekochten Rüben“. Ich weiß also angeblich genau, was es bedeutet, etwas nicht zu mögen und nehme an, es ist eine bloße Abneigung Ihrerseits, die man einfach überwinden kann. Oder wenn Sie sagen „Das Geräusch nervt mich“, könnte ich mir denken: „Ich weiß genau wie das ist, denn Hausfliegen nerven mich auch.“ Ich nehme einfach an, dass ich verstehe, wie Sie sich fühlen, wenn Sie einem Trigger ausgesetzt sind, obwohl ich eigentlich keinen Schimmer habe.
Ich schlage daher vor, dass Sie das Wort „Trigger“ verwenden. Die andere Person wird nämlich nicht wissen, was das ist, also können Sie es ihr erklären.
Wenn Sie jemandem deutlich machen, dass ein Geräusch für Sie ein Trigger ist, wird er verstehen, dass es sich nicht nur um eine Abneigung handelt, die man überwinden oder in den Griff bekommen kann. Das ist besonders bei Kindern wichtig, Denn Eltern erwarten generell, dass ihr Kind lernt, Dinge zu tolerieren, obwohl es sie nicht mag. Kinder sollen sich nun mal an Essen, bestimmte Tätigkeiten oder andere Sachen, die ihnen nicht gefallen, gewöhnen. Das gehört zum Erwachsenwerden. Eltern dürfen aber nicht von ihrem Kind erwarten, dass es seine misophonischen Trigger toleriert.
Wenn Sie mit jemanden, der Ihnen nahesteht und Sie triggert, über Ihre Misophonie reden, seien Sie vorsichtig, dass daraus kein persönlicher Angriff wird. Denken Sie immer daran, dass es Ihr Reptiliengehirn und nicht die Person als solche ist, die Sie sowohl physisch als auch emotional angreift. Vermeiden Sie also Ausdrücke wie: „Du treibst mich in den Wahnsinn, wenn Du …“, oder „Ich hasse es, wenn Du so kaust“. Versuchen Sie es lieber mit: „Dieses Geräusch ist ein Trigger für mich“, oder „Wenn ich dieses Geräusch höre, verliere ich einfach die Kontrolle.“ Reden Sie über sich und das Geräusch, nicht über Ihr Gegenüber. Es handelt sich um einen Reflex, daher sollten Sie auf ihr Reptiliengehirn und nicht auf die andere Person sauer sein.
Beschreiben Sie Misophonie als eine neurologische Störung oder eine Reflex-Störung. Sagen Sie beispielsweise:
„Ich leide an einer neurologischen Störung, die Misophonie heißt. Einige ganz normale Geräusche wirken als Trigger und lösen bei mir einen unangenehmen Reflex und extreme negative Gefühle aus. Es fühlt sich an wie ein körperlicher und emotionaler Angriff, so als ob mir jemand eine Ohrfeige verpasst (mit einem Stock oder Viehtreiber in die Rippen sticht, oder wie ein Stromschlag). Wenn ich den Trigger höre, bin ich emotional derartig aufgewühlt, dass ich mich auf gar nichts anderes konzentrieren kann.“
Das ist eine recht genaue und verständliche Definition von Misophonie. Wenn Sie einfach sagen: „Diese Geräusche regen mich auf“, werden andere nicht verstehen was sie meinen. Jeder weiß jedoch was ein Reflex ist und was dabei mit einer Person passiert.
Schaffen Sie eine triggerfreie Oase
Die meisten Misophoniker brauchen einen triggerfreien Ort, an dem sie dem emotionalen und physiologischen Stress entkommen können. An diesem Ort hält man sich nicht durchgehend auf, man benutzt ihn nur als Zufluchtsort. Hier kann man sich wieder fangen und logisch darüber nachdenken, wie man seine Misophonie in den Griff bekommt.
Kopfhörer sind häufig Hauptkomponenten einer triggerfreien Oase. Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung, wie die Bose QC20 oder QC25 sind nützlich. Jedoch benötigen Sie zusätzlich noch eine Rausch-App, um Ihre Trigger ausreichend zu blockieren. Nachdem ich die meisten Marken getestet habe, empfehle ich Bose Kopfhörer oder auch den Parrott Zik 2.0. Ein Problem dieser beiden Marken ist jedoch, dass sie die höheren Frequenzen, so wie sie im Schniefen enthalten sind, nicht neutralisieren. Sollten Sie speziell von solchen Geräuschen getriggert werden, sind die Etymotic MC5 Kopfhörer – Ohrenstöpsel mit integrierten Lautsprechern – eine billigere und bessere Alternative. Auf Dauer gesehen sind Ohrenstöpsel alleine nicht empfehlenswert, da sie die Empfindlichkeit des Gehörs steigern und somit Hyperakusis verursachen können. Während Sie wach sind, brauchen Sie akustische Stimulation, um Ihre Misophonie in den Griff zu bekommen. Es gibt natürlich Ausnahmen, wie zum Beispiel ein Examen.
Einer meiner Patienten tischlerte in seiner Freizeit. Weil Maschinenlärm sein Trigger war, hatte er sein Hobby aufgegeben. Durch Gehörschutz mit Ohrenstöpseln sowie zusätzliche Hintergrundgeräusche konnte er aber schließlich alle seine Trigger blockieren.
Es bedarf der Kooperation aller Familienmitglieder, um eine triggerfreie Oase zu schaffen. Es sollten Regeln beachtet werden, die festlegen, welche Aktivitäten wo ausgeführt werden dürfen. So kann man eine vorübergehende Lösung schaffen, bis weitere Bewältigungsstrategien angewendet werden können.
Gesundheit und Wohlbefinden
Trigger beeinträchtigen Sie weniger, wenn Sie sich gut fühlen. Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden sind umgekehrt proportional zum Schweregrad Ihrer Misophonie. Damit will ich nicht behaupten, dass eine gesunde Person nie extrem unter Misophonie leiden kann, doch es ist generell so, dass sie sich verschlimmert, wenn man sich unwohl fühlt.
Manche haben bemerkt, dass sich ihre Misophonie noch verschlimmert, wenn sie am Abend zuvor Alkohol getrunken haben. Andere spüren dieselbe Auswirkung, wenn sie zu viel Süßes oder Kohlenhydrate essen. So fragen sich manche Misophoniker, ob sie bestimmte Lebensmittel lieber meiden sollten. Wenn es bestimmte Nahrungsmittel gibt, die Ihr Körper nicht toleriert, dann verschlimmert das Ihre Misophonie. Laktoseintolerante Misophoniker sollten daher auch wegen ihrer Misophonie Milchprodukte vermeiden. Wenn Sie eine Glutenallergie haben, dann meiden Sie Weizenprodukte. Aber nur weil ein Misophoniker seine Störung besser in den Griff bekam, weil er keine Karotten mehr aß, heißt das nicht, dass Sie das gleiche positive Ergebnis damit erzielen können. Bei vielen Misophonikern haben unterschiedlichste Diäten zu deutlichen Verbesserungen geführt, also lohnt es sich, seine Essgewohnheiten zu überprüfen. Regelmäßig Sport zu treiben, gut zu schlafen und ausgewogen zu essen wird Ihre Misophonie sowie Ihre Gesundheit verbessern – eine Win-win-Situation.
Eine Frau hatte einen interessanten Kommentar auf Facebook veröffentlicht: Magnesium hatte ihre Misophonie deutlich verbessert. Daraufhin versuchten viele andere, sich mit Magnesium in unterschiedlichen Dosierungen zu behandeln, aber es schien keinerlei Auswirkung zu haben. Es stellte sich schließlich heraus, dass sie aufgrund von Komplikationen nach einem Beinbruch an chronischen Schmerzen litt. Das Magnesium linderte die Schmerzen und das wiederum linderte ihre Misophonie.
Durch den misophonischen Reflex verschlimmerten sich die Schmerzen im beeinträchtigen Bein. Das Magnesium linderte ihren ursprünglichen chronischen Schmerz, und ihr körperlicher Reflex war danach weniger schmerzhaft.
Triggern aus dem Weg gehen
Misophonikern wird in der Regel gesagt, sie sollten sich zusammenreißen und lernen, ihre Trigger auszuhalten. Besonders Kinder wollen nichts verpassen und bleiben daher oft in einem triggerreichen Umfeld, nur um nicht alleine zu sein, oder weil ihre Eltern ihnen gesagt haben, dass sie ihre Trigger ignorieren sollen. Oftmals wollen Misophoniker einfach keinen Ärger machen und in der Hoffnung, dass sie sich allmählich an ihren Trigger gewöhnen, versuchen sie ihn auszuhalten. Man kann sich aber nicht an einen Trigger gewöhnen. Im Gegenteil – der Stress wird von Mal zu Mal größer. Die meisten Patienten geben an, dass sie ein Zimmer erst verlassen, nachdem sie versucht haben, das Geräusch eine Zeit lang auszuhalten. Nur wenige ergreifen sofort die Flucht.
Der Schweregrad der Misophonie einer Person basiert sowohl auf der individuellen Trigger-Erfahrung, als auch auf der Anzahl der Trigger, der sie ausgesetzt ist. Misophoniker reagieren wirklich nur auf ihre persönlichen Trigger, nicht auf Geräusche oder visuelle Eindrücke im Allgemeinen. Die erste Bewältigungsstrategie besteht daher schlicht und einfach darin, die Anzahl der Trigger zu reduzieren. Mehr dazu später.
Vermeiden Sie Ihre Trigger, denn getriggert zu werden verschlimmert Ihre misophonische Reaktion auf zweierlei Weise. Erstens verstärkt sich dadurch der ursprüngliche Reflex, und zweitens können Sie sich weitere Trigger „einfangen“, wenn sie gleichzeitig ein zweites Geräusch wahrnehmen. Um diese Verschlimmerungen zu vermeiden, versuchen Sie, Ihren Triggern aus dem Weg zu gehen. Sie können sich aktiv von ihnen entfernen oder die betreffende Triggerperson bitten, mit dem Geräusch aufzuhören. Auf keinen Fall sollten Sie versuchen, einen Trigger einfach auszuhalten.
Es ist zwar nicht immer möglich, Trigger gänzlich zu vermeiden, doch Sie können Ihre Reaktion und gleichzeitig die Ausweitungsgefahr auf neue Trigger minimieren. Zu diesen Techniken gehört der Einsatz von Hintergrundgeräuschen, z.B. mit einem Ventilator, einem Rauschgenerator, Kopfhörern oder Tinnitus Maskern/Tinnitus Noisern. Wenn Sie auf diese Weise Ihren Triggerreflex minimieren, lindern Sie Ihre emotionale Belastung und es ist weniger wahrscheinlich, dass Sie sich einen neuen Trigger einfangen.
Um Ihre emotionalen Reaktionen zu reduzieren, versuchen Sie, den Trigger als einen körperlichen Reflex anzusehen. Sagen Sie sich: „Da zwickt mich wieder mein Reptiliengehirn. Es ist nicht die andere Person, die mich da attackiert“. In einer Fallstudie gelang es der Patientin damit nachweislich, Ruhe zu bewahren, wenn sie ihren Trigger hörte. Ihr gefielen die Geräusche zwar nicht, aber sie konnte den emotionalen Aufruhr, den sie zuvor verursachten, bewältigen und so neue Trigger vermeiden.
Wenn Sie Ihre Muskeln sofort nach einem Trigger entspannen, können Sie Ihre Wut reduzieren. Das ist leichter gesagt als getan, aber Übung macht den Meister.
Was können Sie also tun, wenn Sie einem Trigger ausgesetzt sind? Ihre erste Option ist, sich von dem Geräusch zu entfernen. Wenn Ihr Kind an Misophonie leidet, geben Sie ihm die Freiheit, sich zurückzuziehen. Wenn es vom Esstisch aufsteht, machen Sie keine große Sache daraus. Wenn Sie sich darüber beschweren, und offensichtlich verärgert sind, üben Sie Druck auf Ihr Kind aus. Es ist wichtig, dass es sich frei entscheiden kann, sich von seinen Triggern zu entfernen.
Als Misophoniker müssen Sie sich vor Ihren Triggern schützen. Wenn Sie stattdessen versuchen, sie auszuhalten, verschlimmert sich Ihre Misophonie nur. Sobald Sie einen Trigger wahrnehmen, entfernen Sie sich am besten sofort. Verwenden Sie Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung zusammen mit einer Geräusch App, um mit weißem Rauschen ihre akustischen Trigger völlig auszublenden.
Bewältigungsstrategien für die ganze Familie
Die ganze Familie sollte am gleichen Strang ziehen, damit der Misophoniker seinen Triggern nicht ausgesetzt wird. Er hat sich schließlich diese Störung nicht ausgesucht und sollte daher auch nicht als einziger Opfer bringen müssen. Die Situation ist vergleichbar mit einer Familie, in der eine Person im Rollstuhl sitzt. Alle sind betroffen und helfen bei der Bewältigung des Alltags. Wenn also ein Kind Misophonie hat und das Kauen des Vaters sein einziger Trigger ist, dann kann mit etwas Planung vermieden werden, dass der Vater in der Gegenwart seines Kindes kaut.
Es ist wichtig, dass der Misophoniker beim Planen miteinbezogen wird. Es kann etwas problematisch mit Kindern sein, die sich eventuell nicht an den Plan halten wollen, doch es ist wichtig, dass die Eltern mit gutem Vorbild vorangehen. Für Ehepartner gilt das gleiche – ein Plan ist nötig, damit Trigger vermieden werden. Und denken Sie dabei immer daran, das Ganze nicht persönlich zu nehmen.
Sorgen Sie für eine geräuschvolle Umgebung
Misophonische Reaktionen scheinen stärker zu sein, wenn der Trigger das einzige wahrnehmbare Geräusch ist. Wenn es so leise ist, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte, dann dreht Ihr Gehör sozusagen seine Geräuschempfindlichkeit hoch und alles hört sich lauter an – auch Trigger. Je lauter ein Trigger ist, desto stärker fällt der misophonische Reflex aus. Wenn es still ist, fällt der Trigger noch mehr auf, da es keine konkurrierenden Geräusche gibt.
Der Klang des Triggers wird in einer stillen Umgebung außerdem viel klarer und reiner wahrgenommen. Wenn es gelingt, die Klarheit des Triggergeräusches mit Hilfe anderer Geräusche zu dämpfen, kann man die misophonische Reaktion minimieren oder gar ganz verhindern.
Das „Misophonie-Management-Programm“
Die Audiologin Martha Johnson entwickelte vor einigen Jahren das „Misophonie-Management-Programm“ (MMP). Bei dieser Behandlungsmethode, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, werden zum einen Hintergrundgeräusche im Alltag eingesetzt, zum anderen unterzieht sich der Patient sechs bis zwölf Wochen lang einer Behandlung (kognitive Verhaltenstherapie, dialektische Verhaltenstherapie, etc.), um negative Gedanken gegenüber seinen Triggergeräuschen zu bekämpfen und Bewältigungsstrategien zu erlernen.
Mit einem Ventilator können Sie billig und effektiv ein lautes Hintergrundgeräusch produzieren. Rauschgeneratoren wie die „Schlafhilfe SleepMate“ von DOHM oder der „LectroFan“ sind gerade mal so groß wie ein CD-Stapel. Der DOHM ist eigentlich ein Ventilator, bei dem Lautstärke und Tonhöhe regelbar sind. Der LectroFan produziert das Rauschen elektronisch und bietet zehn Gebläsegeräusche und zehn sonstige Geräusche. Auch bei ihm kann die Lautstärke geregelt werden. Der LectroFan hat derzeit eine positivere Bewertung bei Amazon und verbraucht weniger Strom, aber der DOHM ist bei Misophonikern sehr beliebt. Es ist ratsam, jedes Zimmer mit einem solchen Gerät auszustatten, in dem Sie gewöhnlich Ihren Triggern ausgesetzt sind.
Natürlich können Sie auch mit einem Fernseher oder Radio Hintergrundgeräusche produzieren, doch das ist nicht so ideal wie die oben genannten Geräte, die weißes Rauschen erzeugen. Musik oder Fernsehgeräusche variieren stark in der Lautstärke und blockieren Ihre Trigger nicht vollständig. Sie können auch eine App für weißes Rauschen auf Ihr Smartphone laden und über die Stereoanlage abspielen. Verwenden Sie entweder weißes Rauschen, rosa Rauschen oder Regengeräusche, was auch immer Sie vorziehen.
Kopfhörer
Sie können sich das Hintergrundrauschen des Misophonie-Management-Programms auch mit offenen Kopfhörern anhören, was eine günstige Lösung ist. Wenn Sie eine Geräusch-App auf ihr Handy oder Ihr Tablet herunterladen möchten, empfehle ich die (kostenlose) App White Noise von TMSOFT (Alle Links zu den genannten Hilfen finden Sie unter “Hilfreiche Technik, Apps, Kurse”).
Diese Kopfhörer werden direkt am Ohr befestigt. Da die Lautsprecher Ihren Gehörgang nicht verschließen, können Sie noch gut hören. So vermischen sich die Hintergrundgeräusche Ihrer App mit Ihren Alltagsgeräuschen.
Als günstige Version eines persönlichen Tonerzeugers können Sie einen tragbaren MP3-Player benutzen, um ein Rauschen abzuspielen. Stellen Sie die Lautstärke so hoch ein, dass Ihr Reflex auf die Triggergeräusche reduziert wird.
Wenn Sie kein Smartphone haben, können Sie sich ein billiges Android-Handy zulegen. Für diesen Zweck brauchen Sie keinen Handy-Vertrag und haben somit keine monatlichen Kosten.
Trotz des Misophonie-Management-Programms (MMP) und Tonerzeugern kann die Situation am Esstisch problematisch werden, weil Kopfhörer keine visuellen Trigger blockieren können. Diese sind eigenständig, d.h. sie wirken auch in einem völlig geräuschlosen Umfeld als Auslöser. Selbst wenn ein Misophoniker mit geräuschunterdrückenden Kopfhörern nichts hört, können Kieferbewegungen ihn triggern.
Ich hatte ein Kind in Behandlung, das nicht ertragen konnte, seine Eltern essen zu sehen. Die Familie wollte ihre Mahlzeiten aber gemeinsam einnehmen, also fanden sie eine gute Lösung: sie saßen alle auf einer Seite vom Esstisch. Das mag zwar eigenartig erscheinen, funktionierte aber hervorragend, und das Kind musste nicht alleine in seinem Zimmer essen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass neutrale Geräusche wie Hintergrundrauschen etc. die schnellste und einfachste Bewältigungsstrategie bei Misophonie sind. Sie können den Triggerreflex drastisch reduzieren. Führen Sie also Geräusche in Umgebungen ein, von denen Sie wissen, dass Sie dort Triggern ausgesetzt sein werden. Dadurch wird Ihre Misophonie nicht geheilt, aber erträglicher werden. Denken Sie aber daran, dass diese Strategie keinerlei Auswirkung auf Ihre visuellen Trigger hat.
Ohrstöpsel
Zunächst möchte ich Sie davor warnen, Ohrstöpseln zu oft zu benutzen. Ihr Gehirn braucht akustische Reize und passt sich automatisch Ihrem Umfeld an. Wenn Sie Ihr Gehirn also dauernd abschotten, wird Ihr Gehör empfindlicher und nimmt leise Geräusche deutlicher wahr. Da Misophonie häufig von leisen Geräuschen ausgelöst wird, kann die exzessive Benutzung von Ohrstöpseln Ihre Empfindlichkeit auf leise Triggergeräusche erhöhen. Vermeiden Sie also den täglichen Gebrauch. Verwenden Sie lieber Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung und Musik oder weißem Rauschen, damit Ihr Gehör weiterhin stimuliert wird.
Korrekter Gebrauch von Ohrstöpseln
Nachts oder für kurze Zeitperioden, beispielsweise während Prüfungen, können Sie natürlich ohne weiteres Ohrstöpsel verwenden.
Versichern Sie sich, dass Sie sie richtig ins Ohr einführen. Jeglicher Teil des Stöpsels, der nicht im Gehörgang steckt, ist verschwendetes Material, denn dort blockiert es schließlich keine Geräusche.
Erhältlich sind ganz unterschiedliche Modelle. Es gibt geformte, abgerundete Schaumstoffkegel, ausgestanzte Schaumstoffzylinder und solche aus Silikon. Ein Akustiker kann Ihnen auch spezielle Ohrstöpsel anpassen. Die geformten Schaumstoffstöpsel können öfter verwendet werden, aber sie drücken auch härter gegen den Gehörgang, was beim Schlafen wehtun kann. Ich benutze am liebsten die ausgestanzten, die aber nur ein paar Mal gebraucht werden können. Die Silikonstöpsel sind eine beliebte Variante, werden allerdings nicht so positiv bewertet wie die aus Schaumstoff. Sie senken aber die Lautstärke der Triggergeräusche um einiges. Probieren Sie aus, was für Sie am besten geeignet ist, aber denken Sie daran: Ohrstöpsel sollten nur für kurze Zeit eingesetzt werden, damit Ihr Gehör nicht noch empfindlicher wird.
Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung
Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung schirmen Sie vor Außengeräuschen ab, während Sie gleichzeitig damit eine Audioquelle abspielen können, damit die Ohren stimuliert werden. Obwohl Kinder lieber Musik hören, dient weißes Rauschen besser dazu, Trigger zu blockieren. Musik ist mal laut, mal leise und dann ist da immer die Pause zwischen den Liedern. Weißes Rauschen dagegen ist konstant und umfasst Frequenzen, die oft Ihren Triggergeräuschen ähnlicher sind als Musik.
Die Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung von Bose (QC20/20i und QC25) sind sehr hilfreich bei der Bewältigung Ihrer Misophonie. Die QC20/20i Kopfhörer waren die ersten, die entwickelt wurden, um einmalige Geräusche (z.B. Stimmen) zu unterdrücken. Jegliche Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung können verwendet werden, aber da wir hauptsächlich Trigger blockieren wollen, sind diese Bose Kopfhörer empfehlenswert. Die QC20 sind Ohrhörer, die Ihren Gehörgang von außen blockieren und daher sehr bequem sind. Die Bose QC25 sind gleichermaßen gut und haben Ohrmuscheln. Die einzigen anderen Kopfhörer, die ebenso effektiv Geräusche unterdrücken, sind die Parrot Zik 2.0. Sie eliminieren Triggergeräusche regelrecht, wenn Sie die Geräuschunterdrückung anstellen und eine Geräusch-App verwenden. Dabei sind sie nicht so laut, dass Ihr Gehör dabei geschädigt würde. Allerdings sind diese Kopfhörer darauf ausgelegt, niederfrequente Geräusche zu blockieren und bei bestimmten Geräuschen, beispielsweise Schniefen, weniger effektiv.
Die Etymotic MC5 sind preiswerter und blockieren Trigger noch besser, sind aber nicht so bequem oder praktisch wie die Bose Kopfhörer.
Die Bose Kopfhörer sind zwar etwas teurer, doch Sie kommen wirklich auf Ihre Kosten. Eine preiswerte Alternative sind Ohrstöpsel zusammen mit Ohrmuschelkopfhörern. Die Stöpsel wirken einem Gehörschaden entgegen, gleichzeitig eliminieren Sie mit der lauten Musik oder dem weißen Rauschen sämtliche anderen Geräusche. So erhält Ihr Gehirn zwar noch akustische Eindrücke, nimmt aber keine Trigger wahr. Umgekehrt können Sie auch In-Ohr-Kopfhörer als Rauschgeber und darüber Gehörschutzkapseln („Mickey-Mäuse“) verwenden.
Beide Kombinationen sind preiswerte Methoden zum Blockieren von Triggern.
Progressive Muskelentspannung (PME) nach Jacobson
Unsere Muskeln spannen sich auf andere Art und Weise an, wenn wir ruhig und glücklich sind, als wenn wir uns ärgern. Wenn Ihre Muskeln immer angespannt sind, glaubt Ihr Körper schließlich, dass Sie genervt sind. Wenn sie täglich Übungen zur progressiven Muskelentspannung machen, werden Sie sich Ihrer Gefühle genauer bewusst.
Bei einer Variante der PME werden die Muskeln entspannt, ohne sie zuvor anzuspannen. Diese Entspannung zu üben ist bei Misophonie gleichermaßen sinnvoll. Nachdem Sie mindestens zehn Minuten lang PME mit Muskelanspannung geübt haben, entspannen Sie jede Muskelgruppe in der gleichen Reihenfolge, eine nach der anderen, aber ohne die vorherige Anspannung. Fangen Sie mit ihren Fäusten für fünf bis zehn Sekunden an und machen dann weiter mit Bizeps, dann Trizeps, Stirnmuskeln und so weiter. Diese Entspannung dauert nur ca. zwei Minuten und sollte zwei Mal täglich durchgeführt werden.
Schließlich lernen Sie, alle Muskeln simultan zu entspannen. Setzen oder legen Sie sich bequem hin, und sagen Sie sich: „Entspann Dich!“ Entspannen Sie alle Ihre Muskeln. Suchen sie nach verbleibender Spannung im Körper und sagen Sie wieder: „Entspann Dich!“, bis alle Muskeln völlig gelöst sind. Bleiben Sie für eine Minute in diesem Zustand.
Man kann beide Entspannungstechniken in ca. zwölf Stunden erlernen. Sie können entweder alleine oder mit einem Therapeuten üben. Die größte Herausforderung dabei ist, täglich dabei zu bleiben. Schreiben Sie sich die Zeit zum Üben in Ihren Terminplan. Die Mühe lohnt sich.
PME – Ein Erfahrungsbericht
Im Misophonie-Seminar 2013 für Audiologen traf ich einen 50-jährigen Mann, der Muskelentspannung einsetzte, um seine Wut nach einem Trigger zu reduzieren. Im Teenageralter hatte er PME erlernt, um eine Angststörung zu bewältigen und setzte diese Technik schon jahrelang ein, um seine emotionalen Reaktionen nach einem Trigger zu beeinflussen.
Zwar hatte er mit PME angefangen, mittlerweile praktizierte er sie aber ohne das vorherige Anspannen der Muskeln. Sofort nach einem Trigger alle Muskeln zu entspannen verhinderte seinen Wutausbruch. Die physiologische Komponente von Wut ist Muskelanspannung. Wenn Sie also wütend werden, aber Ihre Muskeln bewusst entspannen, täuschen Sie Ihr Gehirn und können Ihre Wut beträchtlich reduzieren.
Falls sich Ihre Skelettmuskulatur in einer Triggersituation zusammenzieht, können Sie mit Muskelentspannung reagieren. So reduzieren Sie Ihren körperlichen Reflex auf den Trigger und dadurch Ihre misophonischen Emotionen, die mit dem Reflex einhergehen. Übung macht den Meister und lohnt sich.
Bewältigungsstrategie „Keine Gefahr, aber trotzdem danke!“
„Keine Gefahr, aber trotzdem danke!“ ist eine Methode, die vielleicht anfangs ein bisschen albern klingt, aber vielen Personen hilft. Zum besseren Verständnis rufen wir und hier nochmal die Neurologie der Misophonie ins Gedächtnis.
Außen haben wir unser denkendes Gehirn. In der Mitte liegt das emotionale Gehirn, das limbische System. Unten befindet sich der Hirnstamm – das vegetative Nervensystem, auch Reptiliengehirn genannt. Der Reflex aus dem Reptiliengehirn ist für die Misophonie verantwortlich.
Ihr Reptiliengehirn ist zwar an Ihrer misophonischen Reaktion schuld, es ist aber auch Ihr bester Freund, denn es kontrolliert die automatischen und lebenswichtigen Vorgänge Ihres Körpers. Es kontrolliert unter anderem die Atmung, das Blinzeln, die Körpertemperatur und den Schluckreflex. Der Schreckreflex, den Sie beispielsweise spüren, wenn hinter Ihnen ein Ballon platzt, stammt ebenfalls vom Reptiliengehirn.
Dank diesem wichtigen Helfer können Sie sich an Ihre Umwelt anpassen, denn er sagt Ihrem Körper, wie er auf bekannte Situationen reagieren muss. Wenn Ihnen der Kellner einen großen Teller Spaghetti hinstellt, sagt Ihr Reptiliengehirn sofort: „Ich erkenne diese Situation. Um diese Menge Spaghetti zu verdauen, braucht der Körper viel Insulin, also beginnen wir schon mal mit der Produktion.“ Obwohl Sie noch keinen Bissen in den Mund genommen haben, nimmt Ihr Reptiliengehirn den Stimulus (die Spaghetti) wahr und sorgt für die passende körperliche Reaktion.
Sehen Sie also Ihre misophonischen Reaktionen als Warnsignale Ihres Reptiliengehirns, das eine Gefahr spürt. Es hört ein Kauen, möchte Sie vor der Gefahr beschützen und lässt Sie daher zusammenschrecken.
Unterhalten Sie sich mit Ihrem Reptiliengehirn: „Reptiliengehirn, ich verstehe ja, dass Du mich beschützen willst. Aber was du gerade gehört hast, ist nicht lebensbedrohlich. Trotzdem danke für die Warnung.“ Die kürzere Version lautet wie folgt: „Keine Gefahr, aber trotzdem danke!“ Sie können es sich einfach denken. Tun Sie es mit Hingabe. Bedanken Sie sich ernsthaft bei Ihrem Reptiliengehirn, denn das wird einen positiven Dankbarkeitsreflex in ihm auslösen.
Sie erinnern sich sicherlich an etliche positive Situationen, in denen Sie sich bei jemandem bedankt haben. Ihr Reptiliengehirn kombinierte Ihr „Danke“ mit Ihrem körperlichen Wohlbefinden. Wenn Sie sich jetzt bedanken, löst schon allein das Wort das gleiche Wohlbefinden in Ihnen aus. Das ist es, was ich den Dankbarkeitsreflex nenne. Probieren Sie es aus: Sagen Sie ein kräftiges „Danke“ und halten dann inne, um Ihre körperliche Reaktion zu spüren. Dieses kleine Wort kann Ihrem Körper eine wundervolle Ruhe vermitteln, der Dankbarkeitsreflex wird Ihren Wutreflex übertönen und ausschalten.
Eine Frau hinterließ den folgenden Kommentar auf Facebook:
„Tom Dozier, ich muss Ihnen etwas gestehen. Nachdem ich die Aufnahme Ihres Misophonie-Seminars 2014 angeschaut hatte, musste ich den Kopf schütteln. Ich dachte mir: „Das ist doch Schwachsinn.“ Nachdem ich bereits 61 bin und ständig zu Wutausbrüchen neige, erwartete ich bereits, dass meine Isolation, ein übermäßig lauter Fernseher und Ohrstöpsel mich bis ins Grab begleiten würden. Doch dann bot sich die Gelegenheit, Ihren Vorschlag mit dem Reptiliengehirn einmal auszuprobieren und ihm zu sagen, dass alles okay wäre. Mein Mann und ich waren auf dem Weg zur Küste und ich dachte mir schon: „Drei lange Stunden mit meinem Mann im Auto, begleitet von ständigem Schniefen und Kartoffelchips essen. Aber was soll’s, ich probiere den Rat von diesem Tom jetzt einfach mal aus.“ Ich konnte es kaum fassen. Es scheint, als ob man auch als Erwachsener durchaus noch dazulernen kann. Sehr zu meiner Überraschung hatte ich dieses Mal nicht das Bedürfnis, aus dem fahrenden Auto zu springen. Auch im Hotel, als mein Mann zu schnarchen anfing, stand ich nach einer Stunde einfach auf und holte mir die Ohrstöpsel, doch ich war längst nicht so wütend wie sonst. Vielen Dank, Tom! Ich kann jedem Betroffenen nur empfehlen, die Sache mal auszuprobieren. Zwar erledigt sich dadurch das Problem nicht völlig, aber wenigstens bringen wir in der Zwischenzeit keinen um.“
Probieren Sie es aus: Wenn Sie Ihren Trigger das nächste Mal hören, denken Sie schnell: „Keine Gefahr, aber trotzdem danke“ und versuchen dadurch, sich von Ihrer Wut zu lösen.
Die innere Einstellung
Natürlich ist Misophonie keine Einbildung, wie viele behaupten, doch es ist eine Störung, die sich sehr wohl in Ihrem Kopf abspielt. Tatsache ist jedoch, dass Ihre Trigger wirklich nur IHRE Trigger sind. Diese Geräusche oder Bilder, die Ihnen so viel Leiden bereiten, sind nicht an sich schlimm und bleiben von den meisten unbemerkt. Die Trigger aktivieren Ihr Reptiliengehirn, das Ihnen regelrecht einen Stromschlag verpasst. Wenn Sie aber daran denken, dass dieses Unbehagen von Ihrem eigenen Gehirn stammt und nicht von einer anderen Person, ist die Erfahrung weniger belastend.
Wenn Sie sich Ihren Knöchel verstauchen, tut es Ihnen weh aufzutreten. Aber dieser Schmerz verärgert Sie nicht. Sie wissen, dass der Schmerz von Ihrem eigenen Körper, d.h. von Ihrer Verletzung stammt. Niemand fügt Ihnen diesen Schmerz zu.
Das gleiche Prinzip trifft auf Misophonie zu. Wenn Sie Ihre Trigger als Angriffe anderer Personen betrachten, wird Sie das sehr aufwühlen. Ist Ihnen bewusst, dass Sie anders als andere Menschen auf die Außenwelt reagieren, dann können Sie sich darauf konzentrieren, wie Sie auf Ihre Trigger reagieren wollen. Einige produktive Hilfestellungen haben wir in diesem Kapitel schon besprochen: Muskeln entspannen, Kopfhörer verwenden, oder sich zurückziehen.
Wenn Sie Trigger als einen Angriff anderer betrachten, geben Sie diesen die Schuld an Ihrem Leiden. Die sollten alle mal lernen, sich besser zu benehmen und Sie nicht ständig triggern – beim Gehen die Füße richtig heben, leiser atmen und so weiter! Diese Einstellung schürt Feindseligkeit. Anstatt sich wie ein Opfer der Angriffe anderer zu sehen, betrachten Sie Ihre Misophonie lieber wie einen verstauchten Knöchel: es tut zwar weh, aber Sie werden damit schon klar kommen.
Ich behaupte nicht, dass man allein durch die Einstellung geheilt werden kann oder dass Sie damit keine Probleme mehr haben werden. Der Schweregrad Ihrer Misophonie wird dadurch aber sehr wohl reduziert.
Bewältigungsstrategien und Entgegenkommen am Arbeitsplatz
Viele Länder haben Gesetze, um das Leben von Menschen mit Handicaps u.a. auch an ihrem Arbeitsplatz oder in der Schule zu erleichtern. In Deutschland ist das das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG).
Gemäß diesen Gesetzen müssen Arbeitgeber das Arbeitsumfeld hinreichend anpassen, damit eine qualifizierte Person mit einer Behinderung sich für die Arbeit bewerben und sie durchführen kann. Bestimmte Veränderungen müssen vorgenommen werden, damit diese Person die gleichen Rechte und Privilegien wie ihre Kollegen hat. Ein realistisches Entgegenkommen seitens des Arbeitgebers ist eine wichtige gesetzliche Forderung gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Derlei Gesetze geben Ihnen zwar nicht automatisch das Recht, Ihr eigenes Büro zu haben, halten jedoch Ihren Arbeitgeber dazu an, Ihnen ein angemessenes Arbeitsumfeld zu bieten. Es könnte für Sie z. B. nützlich sein, am Arbeitsplatz Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung tragen zu dürfen. Fragen Sie sich einfach: „Könnte eine taube Person diese Arbeit durchführen?“ Wenn ja, dann sollten Sie Ihre Kopfhörer tragen dürfen, auch wenn das laut Firmenpolitik nicht erlaubt ist.
Reden Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder dem Personalmanagement bezüglich der Bedingungen für die Anerkennung Ihrer Misophonie. Oftmals reicht die Diagnose einer anerkannten Fachkraft. Das Gesetz umfasst keine Liste bestimmter Behinderungen, sondern definiert Behinderung als einen Zustand, der eine oder mehrere grundlegende Lebensaktivitäten schwerwiegend einschränkt. Zu diesen Aktivitäten zählen beispielsweise Lernen, Sprechen, Zuhören, Lesen, Schreiben, Konzentrieren und Selbstversorgung. Und Misophonie beeinträchtigt definitiv Ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren.
Bewältigungsstrategien in der Schule
Auch Schulen müssen per Gesetz (BGG) Kindern mit Behinderungen entgegenkommen. Schüler mit Misophonie können sich das zunutze machen, wenn ihre Störung Ihren Lernprozess einschränkt. Das Gesetz ist für Schüler gedacht, die an einem Zustand leiden, der eine oder mehrere Lebensaktivitäten eingrenzt. Misophonie gehört auf jeden Fall zu dieser Kategorie.
Mit den folgenden Maßnahmen können Schulen einem misophonischen Schüler entgegenkommen:
- Kein Essen, Trinken oder Kaugummikauen im Unterricht. Wenn anderen Schülern als Konzentrationshilfe Kaugummikauen erlaubt wurde, kann das natürlich ein Problem schaffen.
- Der Schüler darf jederzeit das Klassenzimmer verlassen, wenn er zu vielen Triggern ausgesetzt ist. Er muss Zugang zu einem Zufluchtsort haben, wo er sich beruhigen kann.
- Der Schüler darf Kopfhörer mit einer Geräusch-App im Unterricht verwenden. Auch wenn er dadurch den Lehrer eventuell nicht immer optimal hören kann, erlaubt ihm diese Maßnahme, dem Unterricht zu folgen.
- Der Schüler darf Kopfhörer mit einer Geräusch-App während Prüfungen tragen.
- Wenn nötig, darf der Schüler seine Prüfungen in einem triggerfreien Umfeld schreiben.
- Der Schüler hat das Recht auf einen bevorzugten Sitzplatz, um weniger Triggern ausgesetzt zu sein.
- Der Schüler darf ein Sende-/Empfangsgerät verwenden, das ihm erlaubt, den Lehrer oder Professor in einer Vorlesung über ein Mikrofon ungestört zu hören. Diese Methode wird an vielen Universitäten für schwerhörige Studenten eingesetzt.
In vielen Fällen sind die Schulen sehr kooperativ. Man möchte ja vorzugsweise die Zusammenarbeit auf Hilfsbereitschaft aufbauen, und nicht auf ein Gesetz und der Androhung von gerichtlichen Schritten. Wenn die Lehrkräfte verstehen, weshalb bestimmte Änderungen für den Misophoniker notwendig sind, ist es wahrscheinlicher, dass sie konsequent durchsetzt werden. Das ist oft nicht der Fall, wenn Lehrer uneinsichtig sind und nicht verstehen, warum sie den Unterricht den Bedürfnissen eines bestimmten Schülers anpassen sollen. Schriftliche Genehmigungen sind jedoch manchmal für Examen notwendig.
Aus: Misophonie verstehen und überwinden von Thomas Dozier