Erfahrungsberichte

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Bild: Andreas Seebeck

Wie ich an das Thema Misophonie gekommen bin: Mein eigener Erfahrungsbericht – zwölf Jahre auf der Suche nach Hilfe

„Ich kann es nicht haben, wenn ich Mama essen höre. Darf ich das Radio anmachen?“ Mein Sohn war 12, als er das beim Mittagessen zum ersten Mal sagte. Bestürzt nahmen wir den Hass und die Verzweiflung in seinem Blick wahr. Wir konnten uns nicht erklären, was los war.
Er machte gerade eine schlimme Zeit in der Schule durch, in der er Mobbing und Ausgrenzung erfahren musste. Und nun konnte er nicht mehr mit der Familie am Tisch sitzen. Er fing überhaupt an, alle Situationen zu meiden, bei denen gegessen wurde. Kein abendliches gemeinsames Fernsehen, keine Kinobesuche, kein Essen gehen – es gab fast keine gemeinsamen Unternehmungen mehr. Meine Frau war völlig fertig – das Gefühl, dass das eigene Kind sich vor ihr ekelte, belastete sie schwer.
Es wurde immer schlimmer, er konnte dem Unterricht in der Schule nicht folgen, wenn jemand in der Klasse Kaugummi kaute – und einer kaute eigentlich immer, auch die ein oder andere Lehrperson. Wir Eltern ahnten nicht einmal, wie schlecht es ihm dort ging – und er durchlitt die Hölle.
Als psychotherapeutischer Heilpraktiker, spezialisiert auf Phobien und Zwangserkrankungen, erkannte ich in seinen Stresssymptomen gleich die Anzeichen einer Phobie – eine „Kauphobie“ habe ich es genannt. Ein fataler Irrtum. Alle meine Methoden, die sonst so wunderbar halfen, blieben bei meinem Sohn wirkungslos. „Du kannst als Vater dein Kind nicht therapieren!“ sagte man mir, also schickten wir ihn zu anderen Therapeuten – Jugendpsychologen, Klopftherapeuten, Kinesiologen, und später Verhaltenstherapeuten und auch einem Therapeuten für Traditionelle Chinesische Medizin. Zwischendurch Familienaufstellungen, Aggressionsseminar, Reiki und noch vieles mehr – alles ohne den geringsten Erfolg. Es wurde immer schlimmer. Unsere familiäre Situation war stark belastet, wir Eltern suchten verzweifelt nach einer Ursache. Was hatten wir bloß derart falsch gemacht, dass es unserem Kind so schlecht ging? Mit 18 rutschte er in eine Depression und bekam Antidepressiva (Citalopram), was seine Empfindlichkeit Geräuschen gegenüber etwas zu verbessern schien. Leider nur kurzzeitig. Während der Ausbildung (er hatte einige Praktika absolviert und sich dann begeistert für eine Ausbildung zum Erzieher entschieden) litt er sowohl in der Schule als auch in seiner Wohngemeinschaft wegen unterschiedlichster Nebengeräusche (Bassbrummen der Musik der Zimmernachbarn, Fiepen der Heizung etc.), so dass er keine Möglichkeit zur Erholung hatte. Er fing an, sein Leben zu hassen. Niemand schien sein Leid nachvollziehen zu können, kein Therapeut hatte je von solchen Symptomen gehört. Alle Therapieversuche waren wirkungslos, keine Hilfe in Sicht. Er brach seine Ausbildung ab und war völlig verzweifelt. Und die ganze Familie mit ihm.
Dabei ist er intelligent, handwerklich begabt, hilfsbereit, sozial kompetent – sobald aber jemand in seiner Umgebung aß oder kaute (inzwischen reichte schon der Anblick sich bewegender Kiefer) war er nicht mehr er selbst.
Dann, er war inzwischen 24 Jahre alt, nach über 12 Jahren des Suchens und erfolglosen Therapierens, ein Lichtblick: Auf der Suche nach einer Möglichkeit, bei einem Computerspiel die Kaugeräusche, die ertönten, wenn Energie getankt wird, auszuschalten, fand er im Internet etliche Leidensgenossen, die genau dieses Geräusch auch maßlos störte. Und einer schrieb: „Da springt meine Misophonie voll an“.
Mit dem Satz: „Ich weiß jetzt, was ich habe, es heißt Misophonie!“ kam er zu mir. Und zusammen begannen wir zu recherchieren. Ich las alles, was es an Büchern zum Thema gab – nicht viel, und alles auf Englisch. Meist waren es deprimierende Selbsterfahrungsberichte, alle mit dem Konsens „Misophonie ist nicht heilbar“. Eins aber war anders. Der amerikanische Familientherapeut Thomas Dozier hatte jahrelang auf dem Gebiet geforscht und entdeckt, dass Misophonie etwas ganz anderes als eine Phobie ist, ja dass die Art, wie Phobien behandelt werden, Misophonie sogar noch schlimmer macht. Er beschreibt sie als erworbenen Reflex, bei dem eine Muskelreaktion eine zentrale Rolle spielt.
Alles, was Thomas zum Thema zu sagen hatte, passte genau zu dem, was mein Sohn durchlebt und durchlitten hatte. Sogar den Muskelreflex konnten wir anhand Thomas‘ Anleitung identifizieren und üben jetzt gezielt, die misophonische Reaktion aufzulösen.
Die Erleichterung allein dadurch, dass es nun endlich eine richtige Diagnose gab, war enorm. 12 Jahre lang, sein halbes Leben also, hatte unser inzwischen erwachsenes Kind von allen Therapeuten gehört, dass es sich den belastenden Situationen nicht entziehen dürfe – denn Konfrontation ist bei der Therapie von Phobien die übliche Methode. Er zwang sich also, seine Trigger auszuhalten. Auch ich als Vater hatte ihn darin bestärkt, die Konfrontation zu suchen und ihr keinesfalls aus dem Weg zu gehen. Aber Misophonie ist keine Phobie. Mittlerweile wissen wir, dass dies bei Misophonie der absolut falsche Weg ist. Und uns ist klar geworden, warum sich sein Zustand immer weiter verschlechterte: nicht trotz, sondern wegen der Therapien. Allein durch das Wissen über Misophonie ist das Leben für uns sehr viel leichter und entspannter geworden. Wir können ganz anders mit der Situation umgehen und sind auf einem guten Weg.
Die Tatsache, dass es noch keinerlei deutschsprachige Literatur über Misophonie gab, veranlasste mich, Thomas nach den Übersetzungsrechten für sein Buch zu fragen. Er willigte begeistert ein, so dass es nun endlich ein
Buch in deutscher Sprache zum Thema gibt. Außerdem behandle ich mittlerweile selbst mit der Methode nach Thomas Dozier, mit der „Neural Repatterning Technique“.
Ich hoffe, dass das Buch vielen Misophonikern, ihren Familien und Freunden eine Hilfe sein wird.

Andreas Seebeck, Juni 2016

Silhouette eines männlichen Kopfes
Bild: Shutterstock

Ryans Geschichte – „Hör damit auf oder ich bringe dich um!“

„Meine Misophonie trat auf, als ich ungefähr sechs oder sieben Jahre alt war. Wenn meine Eltern mit mir schimpften, hielt ich mir die Ohren zu und bat sie, mich nicht anzuschreien. Sie schrien nicht wirklich, doch ich habe zusätzlich zu meiner Störung auch noch ein überdurchschnittliches Hörvermögen. Als wir das von einem Hals-Nasen-Ohrenarzt überprüfen ließen, redete meine Mutter jedoch während des Hörtests mit dem Arzt, und so dachten sie, dass ich halb taub wäre.
Ich würde sagen, dass meine Trigger sich über die Jahre hinweg vervielfältigt haben. Anfangs störten mich nur Kaugeräusche, aber als ich zur Uni ging, verschlimmerte sich alles unglaublich schnell. Selbst wenn nur die Möglichkeit besteht, dass jemand im gleichen Zimmer essen wird, stehe ich auf und gehe raus, aus Angst vor dem was passieren könnte. Vogelgezwitscher (es begann in meinem ersten Studienjahr in der Uni, weil die Vögel vor meinem Schlafzimmerfenster keine Ruhe gaben), das Klicken eines Kugelschreibers, das Klopfen von Fingernägeln, Tastaturgeräusche vom Handy, schweres Atmen, jegliches Geräusch, das durch die Wände dringt, aber ganz besonders Stimmen, Schniefen, Räuspern, der Bass von Musik und vieles mehr. Meine Misophonie hat sich so weit entwickelt, dass jedes sich wiederholende Geräusch mich wahnsinnig macht. Ich bin dauernd auf der Hut vor Triggergeräuschen und schlafe deswegen immer mit Kopfhörern, weißem Rauschen und einem Ventilator auf höchster Stufe.
Freunde und Familienmitglieder wissen schon länger, dass etwas mit mir los ist, denn sobald ich einen Trigger wahrnehme, werfe ich ihnen einen Blick zu, der ihnen sagt: „Hör damit auf oder ich bringe dich um!“. Sie hören dann auch sofort mit dem auf, was sie gerade tun, und entschuldigen sich, woraufhin ich mich natürlich furchtbar fühle. Zu essen ist ja schließlich normal und man sollte sich dafür nicht entschuldigen müssen. Ich weiß ja, dass ihr Verhalten absolut in Ordnung ist. Sie lösen diese fürchterlichen Emotionen in mir ja nicht mit Absicht aus, und die Geräusche, die mich nerven, sind schließlich Alltagsgeräusche. Doch in dem Moment kann ich nur an das Geräusch denken, und wenn ich ihm nicht entkommen kann (ich ziehe mich wenn möglich zurück), dann drehe ich durch. Im Studentenwohnheim an der Uni konnte ich zum Beispiel meine Zimmernachbarn hören, und da ich diesem Geräusch nicht entkommen konnte, flippte ich aus und fing an, gegen die Wände zu schlagen und zu brüllen. Ich kochte nur so vor Wut. Später schämte ich mich dann für mein unkontrolliertes Verhalten, aber ich konnte einfach nichts dagegen tun. Wenn ich dem Geräusch nicht entkommen kann, fühlt es sich nach ungefähr fünf Minuten so an, als ob die Leute mich mit Absicht nerven wollen. Natürlich griff der Leiter des Studentenwohnheims ein, und ich wohne jetzt nicht mehr auf dem Campus.
Nachdem ich meiner Familie die Forschungsergebnisse von
misophoniatreatment.com vorlegte, zeigten alle weit mehr Verständnis. Meine Mutter ist rücksichtsvoller als mein Vater. Seine Kaugeräusche, auch wenn er mit geschlossenem Mund kaut, sind mein absolut größter Trigger. Er kaut wirklich dauernd an seinen Nägeln, seiner Lippe oder der Innenseite seiner Wange. Meine Schwester und mein Vater leiden außerdem am Tourette-Syndrom. Stellen Sie sich mal vor wie schwer es ist, an Misophonie zu leiden und mit Leuten zusammenzuwohnen, die zwanghaft bestimmte Handlungen wiederholen und Laute von sich geben. Ich bin inzwischen fast ständig alleine auf meinem Zimmer. Es stört mich nicht, für mich zu sein, und ganz ehrlich – ich fühle mich viel weniger gestresst, weil ich keine Triggergeräusche befürchten muss. Leider heißt das aber auch, dass ich meine Familie fast nie sehe, obwohl ich mit ihr zusammen wohne. Hinzu kommt, dass mich laute Geräusche jedes Mal fast zu Tode erschrecken. Taub zu sein erscheint mir inzwischen als die einzige Möglichkeit, mich in der Gegenwart anderer Leute wohl zu fühlen.
Ich wüsste gern was ich tun könnte, um weniger isoliert zu leben. Ich liebe schließlich meine Familie und möchte gerne Zeit mit ihr verbringen, aber es ist mir einfach nicht möglich.“

Silhouette eines weiblichen Kopfes
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Extreme emotionale Reaktionen sind das Kennzeichen von Misophonie, wie Judys nachstehender Kommentar erläutert.

Judys Geschichte – “Mein Sozialleben ist ein Alptraum”

„Ich bin jetzt 54 Jahre alt, und es kommt mir vor, als kämpfte ich schon mein ganzes Leben lang mit meinem Problem. Erst vor Kurzem fand ich heraus, dass es einen Namen hat. Einer meiner Arbeitskollegen treibt mich mit seinem ewigen Schniefen und Husten in den Wahnsinn, und das so sehr, dass sich meine Wut in Mordlust verwandelt. Ich weiß, es klingt schlimm, doch ich wünsche mir manchmal, dass er einfach tot umkippt. Andere Misophoniker können das sicherlich nachempfinden. Mein armer Mann versteht, wie ich mich fühle und tut sein Bestes, um Geräusche zu vermeiden, die ich nicht ausstehen kann. Ich weiß manchmal gar nicht, wie er es mit mir aushält. Ich habe diese Störung von meinem Vater geerbt und an eine meiner Töchter weitergegeben. Mein Sozialleben ist ein Alptraum.“

Judy wünscht sich, ihr Arbeitskollege möge tot umkippen! Es ist schwer für jemanden, der nicht an Misophonie leidet, solche extremen Emotionen nachzuempfinden, denn Nicht-Betroffene können nicht verstehen, was ein Misophoniker durchmacht, wenn er wiederholten Triggergeräuschen ausgesetzt ist, ohne ihnen entkommen zu können.

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Bills Erfahrungsbericht – “Die Uni war die Hölle – Schniefen, Kaugummikauen, Husten und Gescharre”

„Es kommt mir vor, als ob ich die Details aller dieser Misophonie-Erfahrungsberichte genau kenne – ich kann genau nachempfinden, was diese Menschen durchmachen. Ich hatte vor Kurzem eine Krise, daraufhin wurde Misophonie bei mir diagnostiziert und seitdem beschäftige ich mich damit und recherchiere – besonders auch im Internet. Die Symptome der Misophonie habe ich schon seit meiner frühesten Kindheit. Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Familienurlaub, eine Autoreise, die über 4000 km lang war. Auf dieser Reise bemerkte ich das laute Atmen meines kleinen Bruders. Zwar versicherte mir meine Mutter, dass alles in Ordnung sei, aber schon bald fingen mein Bruder und ich an, uns anzubrüllen. Ich klemmte schließlich meinen Kopf zwischen das Autofenster und meinen Arm, so dass ich meinen Bruder nicht mehr hören konnte.
Dieses Szenario wiederholte sich des öfteren in meiner Familie. Bei gemeinsamen Mahlzeiten waren Angst, Wut, Kränkungen, Verlassenheit und Selbsthass an der Tagesordnung. Ob am Tisch oder auf Ausflügen – ich verbrachte wenig Zeit mit meiner Familie. Ich suchte nach einsamen Orten an der frischen Luft. Damals dachte ich, ich sei ein Naturliebhaber, doch jetzt frage ich mich, ob ich nicht einfach auf der Suche nach Ruhe war – auf der Flucht sozusagen.
Die Uni war die Hölle – Schniefen, Kaugummikauen, Husten und Gescharre. Zum Schluss ging ich gar nicht mehr in meine Vorlesungen, sondern lernte alleine oder mit einem guten Freund. Miso spielte in allen meinen festen Beziehungen eine Rolle und führte sogar zu einer Scheidung.
In jungen Jahren war ich abhängig, bin aber schon seit 27 Jahren abstinent, obwohl es nicht immer einfach ist. Offensichtlich sind Alkohol oder Drogen kein Weg, Miso in den Griff zu bekommen. Ich bin jetzt 51 Jahre alt und stehe an einem Wendepunkt, denn die Diagnose gibt mir eine neue Perspektive. Ich hatte die Angstgefühle am Esstisch schon vergessen; den Selbsthass und den Gesichtsausdruck meines Bruders, wenn ich ihn wütend und hasserfüllt anstarrte. Niemand verdient es, so behandelt zu werden, und ich hasste mich selbst dafür. Sicher war es nicht einfach, mit mir unter einem Dach zu leben. Letzten Endes wurde ich zum Einzelgänger, es war einfach zu schwierig, unter Menschen zu sein. Zwar gab es einige Personen in meinem Leben, die mir viel bedeuteten, doch die Miso machte sich immer wieder bemerkbar.
Was mir an dieser Diagnose Mut macht, ist, dass ich nun endlich weiß, dass ich wirklich krank bin und nichts dafür kann. Mir wurde immer gesagt, dass es nur Einbildung ist, dass ich es ignorieren soll. Schließlich glaubte ich sogar selbst, dass ich einfach kaputt bin. Inzwischen bin mit einer sehr verständnisvollen Frau zusammen. Sie ist davon überzeugt, dass wir das zusammen schaffen, und ich hoffe, sie hat damit recht. Langsam bin ich es leid zu glauben, dass ich kaputt bin.
Ich verstehe, dass es für andere nicht einfach ist, mit mir klarzukommen, und mein Ringen mit der Misophonie zu respektieren. Ich verstand bis jetzt nicht, dass dieser Zustand jenseits meiner Kontrolle liegt, und dass es in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten. Für mich klingt es wie ein Märchen, dass ich um Hilfe bitten darf. Diejenigen Misophoniker, die den Mut haben, das zu tun, haben meine Hochachtung.
Ich möchte mich für die Chance bedanken, meine Geschichte hier erzählen zu dürfen.“

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Das folgende Gedicht drückt einige Gefühle einer Misophonikerin aus.

“Jeder Bissen fräst sich in meinen Gehörgang”

Meine Misophonie

von Angela Muriel Inez Mackay

Meine Misophonie ist keine Laune.
Ich will mich durch sie nicht in den Mittelpunkt stellen.
Ich muss nicht einfach mal an die frische Luft oder eine Tablette schlucken.

Meine Misophonie ist keine Intoleranz.
Sie ist keine Ausrede, um gemein zu sein –
und NEIN, ich habe nicht gerade meine Tage.

Ich weine nicht, weil ich traurig bin.
Ich weine aus Wut, weil ich nicht weiter weiß.
Ich weine, weil ich Angst habe, dass es dir einfach zu viel wird.
Dass du mich wegschieben wirst.

Ich trage die Kopfhörer nicht aus Trotz
oder weil ich nicht hören will, was du mir zu sagen hast.
Ich trage die Kopfhörer ironischerweise, weil ich mich nach Ruhe sehne.

Mein Motto lautet: „Ich bin schuld, nicht du“.
Das sage ich mir dauernd, während du kaust.

Jeder Bissen fräst sich in meinen Gehörgang.
Jedes Kratzen deiner Gabel ballt meine Hand zur Faust.
Jedes Rascheln der Tüte lässt mich schaudern.

Es bringt mich um, wenn du über meinen Schmerz lachst.
Dein Kaugummi verspottet mich,
und anstatt dich zu entschuldigen, sagst du nur:
„Es ist doch nur ein Geräusch!“

Na klar, für dich ist es nur ein Geräusch.
Aber für mich ist es mein schlimmster Alptraum.

Mich treibt es dazu, Leute zu meiden,
keine Pläne zu machen,
nicht mit Freunden essen zu gehen.

Wegen dieses Geräusches möchte ich nur noch zuhause bleiben.

Und ich frage mich, wozu ich mich noch anstrenge.

Meine Misophonie macht mir Angst.
Jeden Tag habe ich Angst,
dass Leute nicht mehr mit mir klarkommen,
dass sie denken, dass ich überempfindlich bin,
dass ich „intolerant“ bin.

Meine Misosphonie ist ein Teil von mir,
und es tut mir leid.

Es tut mir leid,
dass ich dich wütend anstarre,
dass ich vor dir zusammenzucke,
dass ich dich ankeife.

Es tut mir leid.
Ich habe Misophonie.

Aus: Misophonie verstehen und überwinden von Thomas Dozier
Bilder: Andreas Seebeck, shutterstock.com